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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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werden.
    Mit der an der gesunden Hand baumelnden Posttüte lief Sigbrit Holland schnell die Fußgängerzone hinunter, ohne die eingeworfenen und geschlossenen Fenster zu beachten, die zerstörten Weihnachtsdekorationen und die vielen Reihen zerschlagener Weihnachtslichter. Doch plötzlich griff eine Hand nach ihrem Arm und stoppte ihren wilden Lauf so abrupt, dass sie beinahe hinfiel.
    »Man sollte es nicht so eilig haben in diesen heiligen Zeiten«, zischte ein kahlköpfiger Mann mittleren Alters, auf dessen Stirn Lamm des Herrn tätowiert war. »Der Jüngste Tag kommt zu uns, nicht umgekehrt«, fuhr er schmeichelnd und drohend zugleich
fort. »Die Zeit für Gebete und die Buße der Sünden ist gekommen. Du kannst nicht vor deinen Vergehen weglaufen. Wenn das Jahrtausend ausläuft, ist es zu spät.« Es gelang dem Mann, Sigbrit Holland eine Broschüre in die blutende Hand zu drücken, bevor sie sich losreißen konnte.
    Sigbrit Holland trocknete mit der Broschüre, auf deren Vorderseite ein weißes Lamm abgebildet war, das Blut von ihren Händen ab, dann warf sie das Ganze in einen Papierkorb und ging in einem ruhigeren Tempo zu Fuß zurück Richtung Firö. Sie bewegte sich fast schlafwandlerisch und stieß mehrere Male beinahe mit Leuten zusammen. Einen Augenblick blieb sie stehen und lehnte sich gegen einen Laternenpfahl, während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Islamische Lösung jetzt las sie auf der Mauer vor sich und bemerkte, dass alle Fenster des Gebäudes zerschmettert waren. Sigbrit Holland schüttelte den Kopf und ging weiter. Doch bald versperrte ihr eine Polizeiabsperrung den Weg. Ein gigantischer Demonstrationszug war auf dem Weg zum Reichstag.
    »Die Wasser werden sich teilen«, schrie ein junger Mann mit Brille, der an der Spitze des Zuges ging. »Die Wasser werden sich teilen, und ich, Simon Peter der Zweite, früher Fischer an Leib und Seele und jetzt Lieblingsjünger und erster Apostel des Großen Mannes, werde euch über den Grund des Meeres zur Insel des Paradieses führen.«
    »Zur Insel des Paradieses! Zur Insel des Paradieses!«, brüllte die Menge so laut, dass die Luft vibrierte.
    Dann passierte etwas, das die Atmosphäre unter den Demonstranten umgehend von ekstatischer Erwartung in Entsetzen und Panik verwandelte.
    »Die Nordnordländer kommen! Die Nordnordländer kommen! «, rief jemand und bald hallte der Ruf von allen Seiten wider, und die Demonstranten zerstreuten sich in alle Richtungen.
    Sigbrit Holland wartete nicht, um herauszufinden, was passieren würde, sondern machte auf dem Absatz kehrt und begann zu laufen. Sie lief so schnell sie konnte zurück in die Fußgängerzone – kam an der Bank vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen – und erreichte auf einem Umweg die Firöbrücke. Sie
schnaufte und bekam kaum Luft, drosselte ihr Tempo aber nicht.
    Sie hatte keine Zweifel mehr – sie mussten tauchen. Je eher, desto besser.
     
    Die Legende um den legendären Lennart Torstensson war vorbei, noch bevor sie begonnen hatte. Oder besser, es sah so aus, als wäre die Legende um den legendären Lennart Torstensson vorbei, bevor sie begonnen hatte.
    Die beunruhigende Entdeckung, dass jemand die Idee des legendären Lennart Torstensson gestohlen und in Herrn Odin Odins Namen die gleiche Forderung an die nordnordische Regierung gestellt hatte, die er selbst an die südnordische gestellt hatte, führte dazu, dass der nicht länger legendäre Lennart Torstensson ernsthaft krank wurde. Seine Temperatur schoss in die Höhe, sein Körper und seine Glieder begannen heftig zu schmerzen, und ein um das andere Mal wurde er von den entsetzlichsten Brechanfällen überwältigt. Aber gerade als die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hatte und das Fieber sich vierzig Grad näherte und der nicht länger legendäre Lennart Torstensson zu fürchten begann, dass er sich nie mehr erholen würde, hatte er den elften seiner seltsamen Träume und mit ihm eine Idee, auf die eine fast augenblickliche Heilung folgte.
    Der nicht länger legendäre Lennart Torstensson wachte nach dem Traum verwirrt auf und ertastete sich den Weg in die Küche, wo er etwas Wasser trank und ein paar trockene Kekse aß. Dann zog er sein Notizbuch aus der Butterbrotdose in der Tiefkühltruhe und ging mit dem Buch unter dem Arm zurück ins Bett. Wort für Wort schrieb er nieder, was die Vögel ihm gesungen hatten: Die Stärke der Asen, Walhallas Schutz . Und so entstand die Idee. Der nicht länger legendäre

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