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Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Südnordländer in Nordnorden hatten erst jetzt begriffen, dass die Kriegsdrohung ernst war, und kämpften in der elften Stunde mit Zähnen und Klauen, um einen Platz auf einer der letzten Fähren nach Südnorden zu bekommen. Polizei
und Grenzkontrollen waren in höchster Bereitschaft. Es waren nur noch wenige Stunden, bis die Grenzen zwischen Süd- und Nordnorden geschlossen wurden.
    Auf der anderen Seite der Meerenge lächelte und nickte der Grenzbeamte den Passagieren freundlich zu, wenn er ihnen ihre Pässe zurückgab – alle Südnordländer waren auf dem Weg nach Hause. Auch die nagelneuen Pässe der sieben Wahren Christen bekamen ein Lächeln und ein Nicken mit auf den Weg. Der Grenzbeamte blinzelte sogar schelmisch den beiden Frauen in der Gruppe zu – es war ja Weihnachten – und hieß die Familie zurück in Südnorden willkommen und wünschte ihnen mit einem Extranicken zu den Taschen, die voller Pakete waren, ein fröhliches Weihnachtsfest. Ein fremder Mann bot einer der Frauen an, ihr beim Tragen ihrer unförmigen Tasche zu helfen, aber sie lehnte höflich ab. Sie sei nicht schwer. Und das stimmte, denn alle Taschen waren so leicht, wie leere Taschen nur sein können – natürlich mit Ausnahme der einen, die ein gut durchtrainierter junger Mann trug und die den Hammer und die drei Handgranaten enthielt. Auch die Wahren Christen wollten Weihnachten feiern.
     
    Und es sollte ein Weihnachten werden, das man erst nach langer Zeit vergessen würde. Es (alias Esra) musterte ein letztes Mal die vier Gruppen von Rächern, die die Stadt aus jeweils einer Himmelsrichtung stürmen wollten.
    »Geht und nehmt eure Positionen ein. Genau um zwölf Uhr beginnt die endgültige Schlacht gegen die Tyrannei der Kirche. Wir werden den Feind in Fredenshvile vernichten. Von Norden, Süden, Osten und Westen aus werden wir alles und alle vernichten, die mit Weihnachten und dem Glauben zu tun haben.« Es (alias Esra) schnalzte mit der Zunge, als wollte er seine Worte unterstreichen. »Wenn die Stadt von allem Schmutz gereinigt ist, treffen wir uns vor dem Rathaus.«
    Das Taxi, das Es (alias Esra) für sich bestellt hatte, fuhr vor der Kellerwohnung vor. Er habe etwas Wichtiges zu erledigen, erklärte er, würde sich aber bald einer der Gruppen anschließen.
    »Kennt keine Gnade, keine Barmherzigkeit. Es ist der Tag des
Gerichts«, rief Es (alias Esra) und winkte den vier Gruppen junger, in braun gekleideter Männer mit Bürstenhaarschnitt zu, die jeweils in ihre Richtung in den Schneefall marschierten. Dann stieg er in das Taxi, bürstete den Schnee von sich ab und ließ sich zum Flughafen fahren.
    Es war an der Zeit, dass Esra (alias Es) seine Familie fand.
     
    Am Flughafen von Fredenshvile wartete ein alter russischer Hubschrauber unter dem Vordach, während die zwei russischen Piloten in der Personalkantine warteten – der Tower erlaubte niemandem aufzusteigen, solange der Schneesturm wütete.
    Hesekiel, der Rechtschaffene, der Vater und die Mutter, die fünf restlichen Onkel, ihre Frauen und Kinder sowie die Witwe des sechsten Onkels und die wenigen nicht mit ihnen verwandten Wiedergeborenen Juden saßen mit ihrem Eigentum und ihren Juwelen in Bündeln von höchstens sieben Kilo pro Person – aber was sollten sie auf der Insel des ewigen Sabbats auch mit mehr? – im Schutzraum und warteten darauf, dass Schneesturm und Zeit aufhörten.
    Doch obwohl die Zeit verging und der Sturm zu einem milden Wind abflaute, fiel der Schnee weiter. Vierzig wütende junge moslemische Milizmitglieder und gut hundert frühere Moslemische Modernisten warteten in der Abfahrtshalle des Tragflächenbootes zusammen mit einer kleineren Anzahl anderer Weihnachtspassagiere. Das Wetter hatte leicht aufgeklart, aber nicht genug, dass die Tragflächenboote verkehrten. Die Elf-Uhr-Abfahrt würde abgesagt werden, wenn es nicht bald zu schneien aufhörte.
     
    Die Züge gingen mit leichter Verspätung, und zehn Minuten vor elf fuhr der Zug aus der Hauptstadt der Europäischen Bastion in den Hauptbahnhof von Fredenshvile ein. Unter den vielen Passagieren, die herausquollen und von Freunden und Verwandten willkommen geheißen wurden, war auch ein sehr großer, sehr blonder junger Mann. Der sehr große, sehr blonde junge Mann war allein, und niemand nahm ihn auf dem Bahnsteig in Empfang. In der rechten Hand trug er eine schwere schwarze Tasche und in der linken einen großen Koffer. Der unbesiegbare Lennart
Torstensson wusste nicht, wie lange er gezwungen

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