Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odins Insel

Odins Insel

Titel: Odins Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
Vom Netzwerk:
»Die Zeichnung!«, rief sie. »Natürlich.« Vor lauter Erregung warf sie die Kaffeetasse um.
    »Sprechen Sie, sprechen Sie.« Der Fischer wischte den Kaffee mit einem Spültuch auf.
    »Sie haben es selbst gesagt, eine detaillierte Zeichnung. Erinnern Sie sich, dass die Karte von König Enevold IV. unglaublich gut zu Odins Beschreibung der Insel passt. Es besteht kein Zweifel, dass der Kartograf, der sie gezeichnet hat, auf der Insel gewesen sein muss. Und es ist sehr gut möglich, dass der Kartograf nicht nur von der Insel, sondern auch von der Einfahrtsroute Skizzen und Notizen gemacht hat.«
    »Das ist eine Idee!«, der Fischer Ambrosius strahlte.
    »Ja«, fuhr Sigbrit Holland fort. »Skizzen und Notizen des Kartografen können sich durchaus in den Händen irgendeines Ururenkels befinden, der keine Ahnung hat, welchen Schatz er besitzt. «
    Der Fischer Ambrosius legte Sigbrit Holland die Hand auf den Arm und drückte ihn zart.
    »Sie überraschen uns immer wieder, holde Frau«, sagte er warm und fing ihren Blick ein.
    Sigbrit Holland lächelte. Dann verblasste ihr Lächeln, die Uhr an der Wand zeigte Viertel nach eins. Wie sollte sie erklären, dass sie am Sonntagmorgen drei Stunden gebraucht hatte, um in der Bank Dokumente zu holen?
    »Ich muss gehen.« Sie befreite ihren Arm aus dem Griff des Fischers und stand auf.
    »Sie überraschen uns immer wieder, holde Frau«, sagte der Fischer wieder, aber diesmal konnte Sigbrit Holland keine Wärme in seiner Stimme spüren.
     
    Am nächsten Tag stahl sich Sigbrit Holland zeitig aus der Bank und war eine halbe Stunde vor Schließung in den Spezialarchiven des Land- und Katasteramtes.
    Der Archivar mittleren Alters war nicht da. Stattdessen empfing sie ein schlampiger junger Mann mit halblangem, fettigem Haar. Nein, der fest angestellte Archivar hatte einen nervösen Zusammenbruch erlitten, da war etwas mit einer alten Karte, die
aufgetaucht war. Der schlampige junge Mann lachte einfältig, zählte aber nicht zwei und zwei zusammen, als Sigbrit Holland um die Karte König Enevolds IV. von 1615 bat. Er brauchte lange, um sie zu finden; er war mit den Protokollen und Regalsystemen nicht vertraut und sah auch nicht so aus, als beabsichtigte er das zu werden. Schließlich fand er die kleine Karte, die gerahmt worden war und einen Aufkleber mit der Aufschrift Bitte nicht ausleihen trug. Der schlampige junge Mann las den Aufkleber nicht, sondern reichte Sigbrit Holland die Karte, ohne sich ihren Namen zu notieren.
    Sigbrit Holland setzte sich an einen der Metalltische und studierte die Karte. Sie hatte bereits Abbildungen davon in den Zeitungen gesehen und war nicht an den Details der hellgrünen Landschaft, der dunkelbraunen Küstenlinie, der grauen Klippen oder dem hellblauen Meer interessiert. Sie war auf der Jagd nach einem Namen. Doch schien es sich bei den Buchstaben und Zahlen, die überall auf der Karte verteilt waren, um Angaben von Positionen und Abständen zu handeln. Das hellblaue Meer reichte bis zum Rand des Papiers, und nirgendwo fand sich eine Unterschrift des Kartografen. Sigbrit Holland nahm ein Lineal aus ihrer Tasche, legte es flach auf das Glas über der Karte und zog es langsam nach unten. Sorgfältig suchte sie jeden Millimeter ab, und bereits nach wenigen Minuten trug ihre Beharrlichkeit Früchte. Mitten auf der linken Seite der Karte standen vier kleine Buchstaben ein wenig für sich: T H I T. Sie hatten offensichtlich nichts mit den Positionen oder Abständen zu tun, ergaben andererseits aber auch keinen Namen. Sigbrit Holland lieh sich ein Vergrößerungsglas von dem schlampigen jungen Mann. Die vier Buchstaben waren in Schönschrift geschrieben, sehr viel kleiner, aber deutlich von derselben Hand, die Drude-Estrid-Insel geschrieben hatte. T H I T, das war kein Name. Plötzlich hatte sie eine Idee. Sigbrit Holland bat um die Protokolle über die Anschaffungen aus König Enevolds IV. Zeit. Ein königlicher Kartograf würde zweifelsohne viele Karten von der Insel gezeichnet haben und nicht nur die eine. Sie ließ den Finger über die Seiten laufen und fand bald, was sie suchte. Dann schloss sie das Buch und verließ die Spezialarchive. Wenn sie
sich beeilte, konnte sie noch bei dem grün-orangenen Fischerboot vorbeigehen.
     
    »Thorvald Henrik Innocente Thorvaldsen«, wiederholte der Fischer Ambrosius. »Dann ist er unser Mann.«
    Sigbrit Holland nickte.
    Es war warm, und diesmal atmete alles Ruhe und Frieden aus. Die Sonne brannte von einem

Weitere Kostenlose Bücher