Odins Insel

Zittern des Flugzeugs entgegenzuwirken, indem er seinen Körper aus dem Sitz hob und die Hacken gegen den Vordersitz stemmte.
    »Der Höhenanzeiger ist ausgefallen«, schrie Balder. »Und der Geschwindigkeitsmesser.«
    Sowohl ihre als auch die Instrumente des Kopiloten zeigten nichts an, und Alvilda sah zu den Reserveinstrumenten hinüber. Die Zeiger sahen so aus, als seien sie wahnsinnig geworden; sie wirbelten mit einer verblüffenden Geschwindigkeit herum. Alvilda schlug mit den Fingerknöcheln auf eine der Glasabdeckungen.
    »Verdammt! So ein altes Drecksding. Wir erstatten besser Meldung. Ruf den Tower.«
    Balder drückte auf den Knopf seines Mikrofons.
    »Tower. Mission 2474.« Es kam keine Antwort, und er versuchte es noch einmal. »Tower. Mission 2472. Do you read?«, schrie er. »Do you read?«
    Noch immer kam keine Antwort. Er versuchte es noch einmal. Und wieder geschah nichts.
    »Ich glaube, wir stecken in Schwierigkeiten«, sagte er mit überraschend ruhiger Stimme.
    »Verdammt. Wir müssen etwas tun!«, rief Alvilda. Der Schweiß
lief ihr über die Stirn und brannte in ihrem linken Auge. »Ich weiß nicht einmal, wie schnell wir fliegen. Aber es ist zu langsam, viel viel zu langsam.«
    Das Beben des Flugzeugs wurde stärker.
    »Komm schon. Komm, mein Freund!«, jammerte Alvilda, wohl wissend, dass sie zu weit unten waren, um einen Sprung zu überleben.
    Der Fotograf hatte seine Kamera verloren und hielt sich jetzt mit beiden Händen am Sitz fest. Seine Augen waren ganz groß vor Angst.
    »Dreh nach links ab, bring sie von der Insel weg«, befahl Balder scharf.
    »Ich kann nicht. Sie gehorcht mir nicht«, antwortete Alvilda und zog panisch am Steuerknüppel. Vielleicht hatte sie sich doch geirrt? Nein, das konnte nicht sein, das hier war nur ein technisches Problem. Sie zog die Gashebel ein wenig zu sich hin, schob sie dann wieder vor und zog den Knüppel so kräftig wie möglich nach links, dann nach rechts. Doch nichts tat sich. Das Flugzeug näherte sich der Inselmitte, die Nase noch immer nach unten zeigend. Sie waren der Erde so nahe, dass sie deutlich drei kleine Ponys auf einer Wiese grasen sehen konnten. Und plötzlich, unmittelbar bevor sie den silbern glänzenden See erreichten, blinkten die Monitoren einige Male, dann zeigten sie wieder ein klares Bild. Alvilda stieß die Gashebel vor, die Motoren heulten, die Nase hob sich, und das Flugzeug gewann an Höhe.
    »Puh, das war knapp.« Alvilda trocknete sich die Stirn mit dem Ärmel, zog das Mikrofon vor den Mund und drückte auf den Radioknopf.
    »Tower. Mission 2474.«
    Es kam keine Antwort, und Alvilda wiederholte ihren Ruf.
    »Mission 2474, go ahead«, klang es plötzlich klar vom Turm.
    »Gott sei Dank. Das ist wie im Paradies!«, seufzte Alvilda erleichtert. Doch genau in diesem Moment erreichte Mission 2474 das Zentrum der Insel. Eine kolossale Kraft traf das Flugzeug, und das Einzige, das Alvilda noch bemerkte, war die halsbrecherische Geschwindigkeit, die die Welt auseinander riss und sie für alle Ewigkeit in ein Gefühl der Freiheit schleuderte.

    »Hast du das gesehen?« Ida-Anna zeigte in den Himmel.
    »Was gesehen?« Ihr kleiner Bruder sah hinauf. Aber da er nichts anderes als den grau-blauen Himmel sah, nahm er unverdrossen seine Jagd auf Würmer für die sonntägliche Angeltour wieder auf.
    »Da war ein summender Laut von einem glänzenden Ding, dann ein Sausen, ein großer Schwapp vom See, und jetzt ist das Ding weg.«
    Wieder sah Ingolf auf. Er schirmte die Augen mit beiden Händen gegen die Sonne ab und starrte lange in den Himmel. Dann sah er Richtung See, aber außer ein paar schwächer werdenden Kreisen war die Oberfläche glatt.
    »Ich kann nichts sehen.«
    Er beugte sich hinunter und wühlte weiter in der Erde.
    »Es ist wahr. Ich habe es so deutlich gesehen, wie ich dich sehe.«
    Ingolf richtete sich auf.
    »Du erfindest immer irgendwelche Geschichten«, sagte er mürrisch. »Ich glaube dir nicht mehr. Das ist wie damals an Weihnachten, als du gesagt hast, dass der Fremde vom Kontinent der Weihnachtsmann ist. Aber haben wir mehr Geschenke bekommen, weil wir ihm geholfen haben? Er ist nicht einmal zu seinem dreibeinigen Pferd zurückgekommen.«
    »Halt den Mund!«, rief Ida-Anna. »Du hast von nichts eine Ahnung. Da war eben etwas am Himmel. Und der kleine alte Mann ist der Weihnachtsmann. Warte nur, dann wirst du schon sehen.«
    »Du lügst«, schrie Ingolf und zog sich ein paar Schritte zurück.
    Ida-Anna lief hinter