Odins Insel
hatten – hatte ein hilfreicher Bibliothekar in der Zentralbibliothek sie auf die Kanzleibücher verwiesen, in denen die meisten der offiziellen Briefe und Anweisungen des Königs aus der Zeit von 1513 bis zu der Staatsreform 1660 verzeichnet waren. Die Kanzleibücher enthielten außerdem eine Liste bedeutungsvoller Personen, unter denen Sigbrit
Holland – im Laufe der dritten verlängerten Mittagspause – Namen und persönliche Daten des Kartografen fand.
Der Fischer Ambrosius kaute auf dem Mundstück seiner Pfeife.
»Dann war unser Freund Thorvald Henrik Innocente Thorvaldsen keine besonders ergiebige Spur. Wenigstens hat sie Sie nur acht Tage und nicht acht Monate gekostet.«
»Vielleicht gibt es etwas, das wir nicht wissen…« Sigbrit Holland war nicht bereit, so leicht aufzugeben.
»Und nie herausfinden werden«, unterbrach sie der Fischer. »Nein, holde Frau, Sie sollten besser der Tatsache ins Auge sehen, dass das, was es an Skizzen und Notizen zu König Enevolds IV. Karte gegeben hat, entweder längst zu Staub zerfallen ist oder in der privaten Bibliothek der Königsfamilie aufbewahrt wird. Und wenn Sie nicht die Königin sind, können Sie die private Bibliothek mit dem Staub gleichsetzen.«
»Aber es muss doch noch andere als den Kartografen gegeben haben, Assistenten und Handelsleute. Vielleicht hat der Kapitän Notizen gemacht…?«
»Holde Frau, das haben wir bereits untersucht. Vergessen Sie es. Die Idee war gut, aber sie hat zu nichts geführt. Versuchen wir eine andere Spur.«
»Zurück zu erwähne die Insel und die Hölle bricht… « Sigbrit Holland lachte.
»Lachen Sie nur, holde Frau. Aber es geht etwas vor auf der Insel, und wir werden schon noch herausfinden, was das ist.«
In dem Moment ging die Tür auf, und Brynhild Sigurdskaer trat ins Steuerhaus. Die durchsichtige Frau grüßte Sigbrit Holland herzlich und setzte sich neben den Fischer Ambrosius. Sigbrit Holland versuchte unbeeindruckt auszusehen.
»Wer das Meer zufrieren kann, kann auch den Schnee schmelzen«, redete Odin vor sich hin und suchte nach etwas, das er den Fanatikern das nächste Mal erzählen konnte, wenn er in das sonderbare Ding sprechen sollte, das sie alle erreichte. »Aber ein gebrochenes Pferdebein ist ein gebrochenes Bein, wie der Schmied sagen würde. Zumindest bis Veterinär Martinussen die Regeln und Formalitäten erfüllt hat.«
Die Uhr an der Wand schlug sieben. Sigbrit Holland hätte schon lange zu Hause sein sollen, aber diesmal war es ihr egal.
»Ich gebe nicht auf«, sagte sie mit plötzlicher Entschlossenheit. »Wir müssen Odin zurück auf die Insel bringen, bevor die Situation hier total eskaliert.« Sie machte eine Handbewegung in Richtung der Frommen hinter der Polizeiabsperrung. »Der eine oder andere, der 1614 mit zu der Insel gesegelt ist, muss doch aufgeschrieben haben, wie sie dorthin gekommen sind. Und wenn ich bis zur Königin gehen muss, ich werde herausfinden, wer.«
»Das steht Ihnen natürlich frei, holde Frau.« Der Fischer Ambrosius lächelte das erste Mal an diesem Abend. »Aber wo wollen Sie die Zeit zum Suchen hernehmen?« Seine Augen funkelten amüsiert.
»Das weiß ich nicht, aber ich werde es herausfinden!«, sagte Sigbrit Holland mit einer Überzeugung, die sie selbst überraschte.
»Die Meerjungfrau führt den Fischer in Versuchung, das Elfenmädchen verführt den Jäger, und der Engel lockt den Soldaten. Nur Tapferkeit und Weisheit bleiben, um das echte Lied zu hören«, sagte Odin und klopfte auf das Hufeisen in seiner Brusttasche. »Aber es gibt natürlich kein Unglück, dem ein wenig Glück nicht helfen kann.«
Brynhild Sigurdskaer, die mit einem sanften abwesenden Gesichtsausdruck dagesessen hatte, wandte sich nun an den Fischer Ambrosius.
»Was hatten die Seeleute zu sagen?«, fragte sie in fast normalem Tonfall.
Zuerst antwortete der Fischer nicht, sondern nahm seine Pfeife aus dem Aschenbecher und rauchte eine Weile schweigend. Als er endlich sprach, sah er die durchsichtige Frau aufmerksam an, als wolle er ihre Reaktion einschätzen.
»Einer erzählt uns, dass es einen anderen Spruch gibt, aber dass er sich nicht an ihn erinnert. Ein anderer erzählt uns, dass das, was wir haben, falsch ist, ja, sogar beide Sprüche, dass er sich aber nicht an den richtigen erinnern kann. Ein Dritter, dass in dem eigentlichen Spruch nicht die Hölle vorkommt, sondern
ein Inselschmied , aber dass er sich wirklich nicht an die Worte erinnern kann. Dann gab es einen, der
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