Odins Insel
streckte, setzte der Ast ihn unvermittelt in eine Astgabel nahe des Stamms. Die Gabel war so eng, dass Lennart Torstensson sich kaum bewegen konnte.
Ein Schlagen von Flügeln ertönte in der Nähe, und ein lebhaftes Zwitschern und Tirilieren erhob sich von mehreren Seiten. Lennart Torstensson sah sich um, doch ungeachtet in welche Richtung er auch sah, sah er nichts als dunkelgrünes Laub. Das Schlagen der Flügel kam näher, und das lebhafte Zwitschern wurde höher und beharrlicher und ähnelte schließlich menschlichen Worten. Eins der Worte konnte er erkennen, aber es ergab keinen Sinn: Ginnungagap . Andere Buchstaben flossen zu noch sonderbareren Schöpfungen zusammen, die er nicht im Gedächtnis behalten konnte. Die Vögel schienen ihm etwas erzählen zu wollen. Aber Lennart Torstensson verstand nichts von dem, was sie sangen, und er war auch nicht sicher, dass er es wirklich verstehen wollte. Plötzlich hatte er große Angst vor den Vögeln, und trotz seiner Angst, herunterzufallen, wand er sich herum und griff nach dem Ast über seinem Kopf und suchte nach einem anderen Ast, auf den er die Füße setzen konnte. Da war er. Lennart Torstensson ließ seinen Körper aus der Astgabel gleiten, aber seine Füße verloren den Halt, und der Ast, an dem er sich festhielt, wurde in seinen Händen zu nichts, und er fiel.
Der gewissenhafte Lennart Torstensson schrie. Er öffnete die Augen. Er lag auf dem Boden, den Kopf halb unter seinem Bett. Langsam stand er auf. Er hatte sich bei dem Sturz nicht verletzt, zitterte aber noch immer vor Schreck. Er fasste sich an den Kopf; was für ein seltsamer Traum! Aber darüber nachzudenken, hatte er jetzt keine Zeit. Es war bereits halb acht, und für neun war eine Besprechung des Untersuchungskommitees der Westlichen Bastion über die Insel angesetzt, die von der südnordischen Regierung Drude-Estrid-Insel und von der nordnordischen Hermod-Skjalm-Insel
genannt wurde. Der gewissenhafte Lennart Torstensson sollte vor der Besprechung alle Hintergrundinformationen für Herrn Hölzern vorbereitet haben.
Bei der Besprechung des Untersuchungskommitees gab die südnordische Delegation großzügig der nordnordischen Forderung nach, dass niemand berechtigt sein sollte, einen Fuß auf die Insel zu setzen oder über sie hinwegzufliegen, bevor nicht ihr formeller Status geklärt war. Doch darüber hinaus tat sich nichts. Keine der Delegationen war bereit, den Argumenten der Gegenpartei zuzuhören, und beide Parteien wiederholten nur ihre Standpunkte und unterstrichen, dass sie unabänderliche Instruktionen von ihrer Regierung hätten, an denen sie festhalten mussten. Der Vorsitzende konnte nichts anderes tun, als die beiden Parteien zu bitten, ihre Standpunkte bis zum nächsten Treffen, das acht Tage später stattfinden sollte, noch einmal zu überdenken.
»Die Situation war noch nicht reif«, sagte Herr Hölzern, und der gewissenhafte Lennart Torstensson notierte sich diese weisen Worte in seinem Notizbuch neben den anderen Sätzen, die zu gebrauchen er sich erinnern musste, wenn er selbst einmal ein bedeutender Mann geworden war.
Die Teilnehmer an der Besprechung packten bereits ihre Sachen zusammen und verließen den Raum, als die nordnordische Delegation noch einmal um das Wort bat.
»Um Gerechtigkeit in dieser Angelegenheit walten zu lassen, möchte die Regierung des nordnordischen Königtums die Forderung vorbringen, dass Herr Odin Odin nicht länger in Südnorden residiert. Es ist im höchsten Grade ungerecht und kann im schlimmsten Fall zu einer Voreingenommenheit in der Angelegenheit führen, wenn ein Einwohner der nordnordischen Insel, der Hermod-Skjalm-Insel, sich in einem Land aufhält, das fälschlicherweise behauptet, dass diese Insel zu seinem Territorium gehört. « Der nordnordische Delegierte atmete tief durch. »Um ihren guten Willen und ihren Respekt gegenüber den südnordischen Nachbarn zu zeigen, ist die nordnordische Regierung zu dem Kompromiss bereit, dass Herr Odin Odin sich die eine Hälfte der Zeit in dem einen und die andere Hälfte in dem anderen
Land aufhält.« Mit bedeutungsvoller Miene machte der nordnordische Delegierte hier eine lange Pause. »Nachdem Herr Odin Odin sich inzwischen genau sechs Monate in Südnorden aufgehalten hat, empfindet die nordnordische Regierung es nur als recht und billig, wenn sich Herr Odin Odin die kommenden sechs Monate, das heißt vom 1. Juli dieses Jahres an, in Nordnorden aufhält.«
Die südnordische Delegation war
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