Odins Insel
sagte er langsam. »Der kleine alte Mann könnte doch beispielsweise in die Ferien fahren.«
»Ferien?«, wiederholte der Staatsminister ungläubig.
»Ein inoffizieller Vorschlag, in die Ferien zu fahren, steht doch in keinster Weise im Widerspruch zu unserem offiziellen Standpunkt, wonach Herr Odin Odin selbstverständlich weiterhin in Südnorden wohnt. Natürlich soll er seine jetzige Adresse beibehalten, während er Urlaub macht.«
»Und wie wollen Sie, ohne Misstrauen zu erwecken, Herrn Odin Odin dazu überreden, in die Ferien zu fahren?«
»Wie gesagt, es gibt Methoden, und es gibt Möglichkeiten, und ich habe meine. Vertrauen Sie mir. Ich verspreche Ihnen, dass der kleine alte Mann fahren wird und dass niemand zurückverfolgen kann, dass die Regierung dahinter steckt.«
Der Justizminister lächelte. »Und ich werde selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass er nicht in Nordnorden Urlaub macht.«
So kam es, dass Herr Bramsentorpf an einem hellen und milden Vormittag Anfang Juli zu dem grün-orangenen Fischerboot kam – allein und ohne die sieben untadelig gekleideten Männer. Diesmal blieb Herr Bramsentorpf nicht auf dem Kai stehen, sondern
kletterte gleich an Bord und fiel beinahe über den Fischer Ambrosius, der eine lose Planke im Deck reparierte.
»Öh, öh«, räusperte sich Herr Bramsentorpf entschuldigend und gab dem Fischer zu verstehen, dass er mit Herrn Odin Odin sprechen wollte und das unter vier – oder besser drei, ha, ha – Augen. Der Fischer zeigte zum Steuerhaus hinüber, dessen Tür offen stand, und Herr Bramsentorpf ging ohne anzuklopfen hinein.
Odin saß auf der Bank an dem abgenutzten Mahagonitisch, und Herr Bramsentorpf setzte sich unaufgefordert auf die Bank ihm gegenüber.
»Nun, Herr Odin Odin, wie geht es Ihnen?« Herr Bramsentorpf schlug einen jovialen Ton an, um die richtige Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Vertraulichkeit zu schaffen.
»Mir geht es ausgezeichnet, danke«, sagte Odin. »Und jetzt, wo Sie gekommen sind, sogar noch besser.« Odin war sehr froh, Herrn Bramsentorpf zu sehen, da er seit seinem Treffen mit den vielen Kontinentalen nichts mehr von der Luftverbindung gehört hatte, ganz zu schweigen von den Regeln und Formalitäten. Deshalb nahm er, sobald er es für statthaft hielt und nachdem sie eine Zeit lang über Wind und Sonnenschein und den blauen Himmel geredet hatten, das Thema auf und fragte Herrn Bramsentorpf, wie alles so laufe.
»Oh, nun ja, die Formalitäten, Herr Odin, die Formalitäten«, wiederholte Herr Bramsentorpf und machte eine Handbewegung, die keinen Zweifel daran ließ, dass es gerade im Augenblick besser war, nicht von den Regeln und Formalitäten und allem, was damit zu tun hatte, zu sprechen, die Luftverbindung gar nicht erst zu erwähnen.
Doch genau in diesem Moment fiel Odin etwas ein, das er ansonsten ganz vergessen hätte, und er bedachte Herrn Bramsentorpf mit einem aufmunternden Lächeln.
»Aber Herr Bramsentorpf, ich bin wahrlich mehr als zufrieden, Ihnen erzählen zu können, dass Sie sich um die Regeln und Formalitäten keine Sorgen mehr machen müssen, da der sehr große, sehr blonde junge Mann mit dem langen Namen mich
bald holen und mit nach Nordnorden nehmen wird, wo sie den allerbesten Veterinär haben, der mit mir nach Smedieby reisen und Rigmaroles Bein behandeln wird.« Odin schnippte mit den Fingern, genau wie er es bei Lennart Torstensson gesehen hatte.
Herr Bramsentorpf wurde vor Entrüstung ganz rot im Gesicht; diesmal waren sie wirklich zu weit gegangen!
»Herr Odin Odin«, begann er. »Ich werde jetzt wie ein Freund zu Ihnen sprechen, und nicht wie ein hoher Beamter im Dienst der südnordischen Regierung. Und als Freund«, Herr Bramsentorpf senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern, »ist es meine Pflicht, Ihnen zu sagen, dass man den Nordnordländern nicht trauen kann.«
Odin wickelte sich den Bart um die Finger; die kontinentalen Angelegenheiten waren wahrlich nicht leicht zu verstehen.
»Nein!«, sagte Herr Bramsentorpf und schüttelte theatralisch den Kopf. »Das ist eine der unglücklichen Tatsachen des Lebens, aber Herr Odin, Sie sollten es sich lieber früher als später hinter die Ohren schreiben: Vertraue nie einem Nordnordländer.«
»Aber der sehr große, sehr blonde junge Mann mit dem langen Namen hat gesagt, dass der nordnordische König…«
»Am wenigsten dem nordnordischen König, Herr Odin!«, rief Herr Bramsentorpf mit übertriebenem Entsetzen.
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