Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
der Impetus so großartig ausgebildet hatte. Schließlich ging er zum Lob der Dame selbst über. Er bewunderte ihren Schmuck und ihre Kunst, sich noch schöner zu machen, als sie schon war, was er als Westfranke hoch zu schätzen wisse.
Sie nahm die Schmeicheleien mit einem zerstreuten Lächeln entgegen. Dabei huschte ihr unsteter Blick bald hierhin, bald dorthin. Mir entging nicht, dass ihre besondere Aufmerksamkeit auch jetzt wieder Herrn Siegram galt, der etwas abseits vor einem Becher Wein saß.
Mägde trampelten herein und brachten gebratene Hühner, Würste und Speck, dazu frisches Brot aus der Backhütte. Man gab auch den anderen Reisenden zu essen, allerdings wohl gegen Bezahlung. Die geringeren Leute und die Gaukler lagerten draußen unter Bäumen. Es ging geräuschvoll und fröhlich zu.
Ich unterhielt mich leise mit Odo.
„Was meinst du dazu? Die Zentgräfin wusste auch nichts davon, dass das Pferd verkauft wurde.“
„Warum sollte sie?“ Odo kaute mit vollen Backen. „So etwas ist doch Männersache.“
„Dem Hauk scheint die Angelegenheit aber höchst unangenehm zu sein. Hast du den Blick gesehen, den sie ihm zuwarf? Und wie er sich duckte?“
„Sie hält ihn für einen Gauner. Und er ist wohl auch einer. Wenn auch kein ganz so schlimmer, wie wir vermutet hatten.“
„Ich hätte sie gern noch etwas gefragt. Aber sie würde mir wohl nicht die Wahrheit gesagt haben. Ich bin sicher, sie hat ihren Gatten auf Impetus fortreiten sehen.“
„Und was würde das beweisen? Nur dass dieser Mommo vor seiner Frau einen großen Respekt hat. Sieh sie dir an, mich wundert es nicht! Sie war dagegen, dass das Pferd verkauft wurde. Also musste er es heimlich tun, er brauchte die Denare. Sein Bruder stieß unterwegs zu ihm und half ihm bei dem Geschäft. Wahrscheinlich wollte sich Mommo nicht auf dem Markt zeigen.“
„Dann wäre das Gebet am Grab des Eremiten …“
„Frommes Gehabe, zur Tarnung, nichts weiter. Damit er schon in der Nacht aufbrechen konnte.“
„Und warum ließ er seine Leute unter der Eiche warten?“
„Begreif doch! Die sollten natürlich auch nicht wissen, dass er das Pferd auf den Markt brachte. Er wird ihnen irgendetwas erzählen, vielleicht von einem Überfall.“
Ich räumte ein, dass dies eine Erklärung war.
„Und wären wir nicht zufällig hier vorbei gekommen“, fuhr Odo fort, „wäre Hinkefuß jetzt nicht in Ungnade. Eine Achtung gebietende Riesendame! Ich möchte mich in den Vanengott Frey verwandeln, der wusste, wie man so eine herumkriegt.“
„Ich bitte dich, Odo, denke daran …“
„Auch die andere ist nicht zu verachten. Ich habe mich schon nach ihr erkundigt. Ihr Name ist Chrodelind, sie ist die Tochter des Zentgrafen.“
„Und die Zentgräfin ist ihre Mutter?“
„Nur ihre Stiefmutter. Ihr Ehemann ist dieser Blödian Farold, der mir das Pferd scheu gemacht hat.“
„Sie scheint sich vor uns zu verstecken.“
„Es heißt, ihr sei nicht ganz wohl. Der Schmerz des Abschieds. Hier ist Trost nötig, Vater!“
„Ihr seid Königsbote, Herr Odo!“
„Zur Treue vereidigt, doch nicht zur Keuschheit. Sollen wir diesem gelockten Harfenschläger das Schlachtfeld kampflos überlassen?“
„Vorsicht! Das könnte vorm Hofgericht enden. Wie würde der König, dein künftiger Schwiegervater, es aufnehmen, wenn eine edle Dame behauptete, du hättest die Abwesenheit ihres Heldengatten benutzt, um ihre und seine Ehre zu besudeln?“
„Du schlauer Pfaffe hast meine verwundbarste Stelle entdeckt. Fluch über dich!“
Wir mussten laut lachen.
Ich machte während des Mahls ein paar aufschlussreiche Beobachtungen.
Die erste war, dass Frau Chrodelind an diesem Abend nicht mehr erschien. Die Kammertür blieb geschlossen. Nur einmal sah ich sie noch kurz aufgehen.
Bevor dies aber geschah, kam es zu einer heftigen Meinungsverschiedenheit zwischen Frau Begga und Herrn Hauk. Während im Saal getafelt wurde und alle sich unterhielten, mochten die beiden sich unbeobachtet fühlen. Sie standen hinter den Pfeilern an dem Treppchen zur Kammer und sprachen leise und erregt aufeinander ein. Frau Begga schien nach und nach bei dem Streit die Oberhand zu gewinnen. Offenbar ging es dabei um uns, um den Sänger und die Kranke hinter der Tür. Nicht anders waren die Blicke und Gesten der beiden zu deuten. Ich wagte den Schluss, der sich bald bestätigen würde: dass die Hausherrin uns loswerden wollte. Hauk fuhr sich immer wieder mit dem Handrücken über den schwitzenden
Weitere Kostenlose Bücher