Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
seinem eisernen Griff.
„Den Auftrag haben wir. Aber ob Siegram einer ist … das wissen wir nicht. Noch ist seine Schuld nicht erwiesen.“
„Aber wie kannst du zweifeln?“, rief Odo entrüstet. „Eher würde ich König Karl für einen Zaunkönig halten als diesen Vogel für einen harmlosen Schnäpper. Ein Geier ist das, der zartes Fleisch reißt!“
Ich machte ein skeptisches Gesicht. Odo redete sich in Eifer.
„Hast du Augen im Kopf? Dann konntest du sehen, wie er das Wild beschlich … das arme Ding, das da auf dem Totenbett liegt. Schon als er sang, hatte er nur Blicke für sie. Warum ist er uns nicht gefolgt, als es hieß, dass die Ärmste Schonung brauchte? Weil er nur an sein Verbrechen dachte! Er nutzte die Gunst der Zentgräfin, um im Saalhaus zu bleiben. Hast du bemerkt, wie dieses lüsterne Weib ihn anschwärmte? Vermutlich entsprach sie aber nicht seinem Geschmack und sie hätte sich auch nicht so leicht umbringen lassen. Aber genug davon! Noch klüger sind wir, wenn wir ihn haben. Er wird gestehen, dafür sorge ich! Wenn ich nur wüsste, wann etwa er sich davongemacht hat.“
„Immerhin ließe sich feststellen, ob die junge Frau bereits längere Zeit …“
„Ist schon geschehen. Wir hatten viel Umgang mit dem Tod, mein Freund, wir kennen seine Geheimnisse. Sie ist starr wie ein erfrorener Sperling. Hast du die trüben Augen und die Flecke in ihrem Gesicht bemerkt? Sie wurde vor Mitternacht umgebracht, so viel steht fest. Nun, hast du etwas erfahren?“, rief er Fulk entgegen, der mit mürrischer Miene herankam.
„Nichts. Das Bauernpack schläft einen Totenschlaf.“
„Und die Torwächter?“
„Die verlassen sich auf die Wanzen. Das sind die Einzigen, die hier wachen. Er muss selbst den Riegel zurückgeschoben haben. Das Tor war heute Morgen offen.“
„Verflucht“, sagte Odo, „so müssen wir damit rechnen, dass er sich schon vor Mitternacht verdrückt hat.“
Durch einen Zufall, der einen Pferdeknecht über unseren Weg führte, erfuhren wir Näheres.
Odo hatte Impetus gerade losgebunden, als dieser weißbärtige, krumme Alte vorüber zuckelte. Er führte eine Stute zur Tränke. Die machte sich plötzlich los, kam näher und das Pferdepärchen beschnupperte sich freudig.
Der Alte wollte die Stute wegzerren.
„Ist das seine Braut?“, fragte Odo.
„Er hat hier viele Bräute“, erwiderte der Alte verschmitzt.
„Wir sind in Cordoba!“, lachte Odo und klopfte dem Hengst anerkennend auf den Hals. „Ich sollte ihn Emir nennen.“.
„Ihr müsst ein sehr hoher Herr sein“, sagte der Pferdeknecht ehrerbietig. „Sonst hätte Herr Mommo ihn Euch nicht geschenkt.“
„Du glaubst, er hätte ihn mir geschenkt?“
„Herr Mommo hat immer gesagt: Nur wenn ein sehr hoher Herr, ein Graf oder Bischof, ihn darum bitten sollte … dann würde er ihn hergeben, aus Freundschaft.“
„Und wenn ich ihn gekauft hätte?“
„Gekauft?“ Der Alte lachte wie über eine Ungeheuerlichkeit. „Ein Mann, der so reich ist wie Herr Mommo … der sollte sein bestes Pferd verkaufen?“
Odo und ich wechselten einen Blick.
„Hast Glück gehabt, Impetus“, sagte der Alte. „Musst nicht in den Krieg, dienst einem Großen. Dabei musste ich ihn Herrn Mommo noch satteln, als er gestern Nacht aufbrach, um in den Kampf zu ziehen.“
„Und er ritt selbst auf Impetus fort?“, fragte ich gespannt.
„Freilich. Er ritt doch nie ein anderes Pferd. Er nahm aber noch ein zweites mit.“
„Ein zweites?“
„Den Wiz. Er gehört Herrn Hauk. Ist aber nur noch als Lastpferd gut.“
„Warst du dabei, als Herr Mommo aufbrach … mit Impetus und dem Lastpferd?“
„Das nicht. Aber ich sah es von weitem. Eigentlich hörte ich es nur, denn meine Augen sind schon sehr schwach. Aber ich höre alles, alles! Nachts sitze ich vor dem Stall da draußen, denn schlafen kann ich nicht mehr. Da höre ich das Eichhorn, den Igel, den Maulwurf, den Dachs …“
„Augenblick!“, sagte Odo und packte den Alten am Bart. „Und was hast du heute Nacht gehört?“
„Heute? Wartet, ich will es Euch sagen. Wenn Ihr mich loslasst, Ihr tut mir weh!“
„Also?“
„Ich hörte den Kauz, das Wiesel, auch die Natter im Gras …“
„Teufel, verschone uns mit deinem Viehzeug!“, unterbrach ihn Odo. „Du weißt doch, was heute Nacht geschehen ist. Hast du Schreie gehört?“
„Was? Schreie?“
„Die junge Herrin … hat sie geschrien?“
„Geschrien? Nein …“
„Was hast du sonst gehört? Zwei Reiter
Weitere Kostenlose Bücher