Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
Normannenboot, so wie Ihr es ja dann selbst gesehen habt. Ich musste annehmen, dass dies meinetwegen geschehen war. Was Frau Chrodelind betrifft, so war sie verschwunden, und erst jetzt sagte mir Frau Begga, dass sie unpässlich sei. Das wunderte mich natürlich, war sie doch eben noch munter wie eine Forelle gewesen. Ich verstehe ein wenig von der Heilkunst, auf Reisen widerfährt einem dies und jenes und man muss sich zu helfen wissen. So bot ich meinen Rat an und bat, mich zu der Kranken zu führen. Doch davon wollte Frau Begga nichts wissen. Sie habe, sagte sie, für diesen Fall ein Hausmittel und ich solle mich nicht weiter sorgen und mir das Mahl schmecken lassen. Ich bedankte mich für die Gastfreundschaft und da meinte sie, wenn ich ihr dafür eine Freude machen wolle, möge ich etwas vortragen. Es sei ihr innigster Wunsch, einmal wieder den Gesang eines Skops zu hören.“
„Aber Ihr wolltet nicht singen“, sagte der Graf, „weil Ihr den König und sein Gefolge vermisstet.“
Her Siegram wiederholte freimütig, was er schon mir über die Kunst des Gesangs und ihren höheren Zweck erklärt hatte. Er habe die Bitte auch als lästig empfunden, den Preis für eine Hühnerkeule und eine harte Bank in der Nacht als zu hoch und deshalb nach Argumenten gesucht, um abzulehnen. Doch sei er von der edlen Frau so heftig bedrängt worden, dass er schließlich klein beigegeben habe.
„Ich gestehe, dass mir die Aufmerksamkeit Frau Beggas immer unangenehmer wurde“, sagte Siegram, „und ich wäre vielleicht noch fortgeritten, wenn es nicht schon zu spät gewesen wäre. Ich sagte also, ich würde zwar singen, aber nur für die junge Frau Chrodelind, in der Hoffnung, dass mein Gesang die magische Kraft entfalten würde, sie wieder gesund zu machen. Frau Begga nahm das sehr übel auf, ihre Miene wurde frostig und starr, und sie fragte noch einmal, ob dies die Bedingung sei. Ich bestätigte es. Da sagte sie, ihre Tochter sei so krank, dass sie nicht im Saal erscheinen könne. Doch hinter der angelehnten Tür werde sie lauschen. Ich sagte, dies gefiele mir nicht. Ich wollte der edlen jungen Frau ein paar besondere Verse widmen, die aber der Anregung durch das lebendige Bild bedurften. Da sah Frau Begga mich böse an und sagte: „Dann sei es so, aber Ihr werdet sie nur von weitem sehen!“ Denn ihre Tochter habe nicht die Kraft, sich von ihrem Ruhebett zu erheben. Frau Begga verschwand dann für einige Zeit in der Kammer, während sich im Saal ein paar Männer einfanden, die sie geladen hatte. Inzwischen war es dunkel geworden und Fackeln wurden entzündet. Dann kam die Hausherrin wieder heraus und sagte, ihre Tochter sei nun bereit, mich zu hören. Ich ergriff meine Harfe und sie öffnete die Tür zu der Kammer.“
Der Sänger schwieg und suchte nach Worten. Er schien in Verlegenheit darüber zu sein, wie er das, was nun folgte, beschreiben sollte. Odo, der ihn nicht aus den Augen ließ, kam ihm zu Hilfe.
„Ihr saht nun Frau Chrodelind wieder. Sprach sie etwas oder gab sie Euch ein Zeichen?“
„Nein“, sagte Siegram, „kein Wort, kein Zeichen. Nichts! Sie sprach nichts und sie tat auch nichts. Ich gestehe, dass ich betroffen war, denn sie war ja noch vor kurzem so lebhaft und heiter gewesen. Sie saß nur da, in halb liegender Stellung. Falls sie doch etwas tat oder sich bewegte, so bemerkte ich es jedenfalls nicht. Es gab ja auch nur sehr schwaches Licht. Man sah eigentlich nur ihre Augen, das rote Haar und das goldene Schmuckkreuz. Es ist wahr, ich versuchte während des Vortrags, etwas näher an sie heranzukommen. Frau Begga ließ es nicht zu, sie trat bei jedem dieser Versuche dazwischen. Das war alles sehr seltsam und im Stillen nahm ich mir vor, später doch an das Lager zu treten, weil ich mehr über diese eigenartige, plötzlich ausgebrochene Krankheit erfahren wollte. Aber dann kamen die Herren Königsboten, es wurde spät und ich unterließ es.“
Der Sänger hatte jetzt alles abgelegt, was auf Wirkung bedacht war. Ein wenig gebeugt und ratlos stand er vor der Versammlung. Auch wir Richter und die Männer auf der Wiese schwiegen. Weit im Hintergrund standen kleine Gruppen unbefugter Zuhörer, wohl Knechte und Mägde des Herrenhofes. Frau Begga hatte sich abgewandt, blickte ins Nirgendwo und nestelte an der Fibel mit dem Vogelkopf.
Die Pause war endlos.
Plötzlich erhob sich Odo entschlossen, trat an den Sänger heran und sah ihm scharf in die Augen.
„Nun, jetzt antwortet uns, so gut Ihr könnt,
Weitere Kostenlose Bücher