Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
einer ganz leichten Kopfbewegung zustimmte. „Die edle Frau schien in meiner Ankunft eine Art Wiederkehr ihres ersten Gemahls zu sehen, der nicht mehr am Leben ist und den sie offenbar sehr geliebt hatte. Da ich mich ganz außerstande sah, so hohen Erwartungen zu genügen, hielt ich es für besser, die Einladung auszuschlagen. Überraschend sprang dann aber die andere Dame herbei, die junge Frau Chrodelind.“
„Sprang?“, rief Hrotbert dazwischen. „Wir haben gerade gehört, dass sie leidend war und sich kaum auf den Beinen halten konnte.“
„Sie sprang, sie hüpfte, sie tanzte!“, sagte Siegram. „Sie drehte sich wie ein Wirbelwind. Und leidend? Sie war rosig und frisch. Und wie sie lachte! Sie begann gleich zu plaudern, als wären wir alte Bekannte. Sie scherzte über die Schüchternheit meines jungen Begleiters. Ich gestehe, ich fühlte mich von ihrer Anmut berührt, vom Zauber ihrer zarten Erscheinung, von dieser mitreißenden Lebhaftigkeit, die zu einer verheirateten Frau nicht passte, sondern eher mädchenhaft, ja knabenhaft wirkte …“
Abermals sah er Odo an, ein wenig erschrocken, wie mir schien. Ich sah gerade noch, dass Odo verstohlen den Zeigefinger hob und ihm drohte.
Der Sänger bremste seinen poetischen Schwung und fuhr fort: „Ich will damit nur erklären, meine Herren, warum es Frau Chrodelind gelang, mich doch noch zum Bleiben zu überreden. Die junge Edeldame schien mir auch klug zu sein, ihre Scherze hatten Bedeutung, man konnte darüber nachdenken. Ich bin ein später Hellene, ich liebe das heitere Gespräch im Kreise geistvoller Menschen. Wie rar sind solche Gelegenheiten bei uns im Frankenland! Doch ich schweife wohl ab …“
In der Tat wussten weder der Graf noch seine Zuhörerschaft die Bedürfnisse eines späten Hellenen zu würdigen. Auch Odo seufzte und brummte: „Wenn er so weitermacht, verdirbt er noch alles!“
Doch die Besorgnis war unnötig. Man konnte den Mienen der meisten Zuschauer eine gewisse Genugtuung darüber ansehen, dass gerade die ungeliebte Partei der Lüge überführt worden war.
„Was geschah nun weiter, Herr Siegram?“, fragte der Graf.
„Ich ging hinunter zum Wasser, um hinter den Weiden dort ein Bad zu nehmen. Es war herrlich erfrischend! Als ich zurück ans Ufer stieg, bemerkte ich, dass ich das duftende Öl vergessen hatte, mit dem ich mich nach dem Bade zu salben pflege. Ich schickte den Jungen nach unserm Gepäck, das schon ins Saalhaus gebracht war. Als er wiederkam, war er ganz aufgeregt! Zwischen den beiden edlen Frauen, berichtete er, sei ein Streit ausgebrochen. Frau Chrodelind habe Frau Begga verspottet und sie gefragt – ich gebe nur wieder, was der Junge gehört hat –, ob sie die Absicht habe, mich zu verführen und sich deshalb mit gestohlenen Juwelen schmücke. Der Junge konnte die beiden nicht sehen. Er hörte dann nur noch ein klatschendes Geräusch und gleich darauf ein gellendes Hohngelächter sowie den Ruf: ‚Diebin! Mörderin!‘ Er konnte aber nicht genau sagen, wer diesen schrillen Ruf ausgestoßen hatte. Es war ihm unheimlich und er lief fort. Atemlos kam er ans Ufer zurück und hatte sogar das Salböl vergessen.“
Das war ein Stich ins Wespennest.
Frau Begga rief zornbebend: „Eine Lüge ist das! Kein Wort ist wahr!“
Raue Stimmen grollten von der Wiese zurück: „Wir wissen schon, wer die Diebin ist!“ – „Von einer Mörderin haben wir auch schon gehört!“
Es war ein Tumult und der Graf machte keine Anstalten einzugreifen. Seine Miene drückte sogar eine grimmige Befriedigung aus. Odo kaute an einem Grashalm und tat so, als hörte er nur Kühe muhen und Hunde bellen. Arnfried und Hauk bemühten sich, Frau Begga zurückzuhalten, die sich auf einen der Rufer stürzen wollte.
Das ging mir zu weit, ich sah die Würde des Gerichts in Gefahr. Also sprang ich auf und verschaffte mir schließlich Ruhe.
Dann sagte ich streng zu Siegram: „Bevor Ihr weitersprecht, gebt uns Auskunft! Ist der Junge, der Euch begleitet, ein Freier oder Unfreier?“
„Ein Unfreier“, antwortete er.
„Dann ist er nicht zeugnisberechtigt und was er gesehen und gehört hat, das hat niemand gesehen und gehört. Ich muss Euch ermahnen, hier nur noch wiederzugeben, was Ihr selbst mit Euren Sinnen wahrgenommen habt. Was geschah nun, als Ihr vom Bade zurückkehrtet?“
„Frau Begga empfing mich allein. Sie war in der Tat verwandelt, ich erkannte sie kaum wieder. Sie war geschmückt wie zu ihrer eigenen Hochzeit und bemalt wie ein
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