Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
Herrn Ebrachar wegen der Braut anzufragen, für seinen Reißzahn, den Bobo. Jetzt, da er den Cleph gerettet hat, ist es etwas anderes. Der Langobarde ist zwar ein Bastard, doch er hat Einfluß. Nicht so viel wie der Pater Fabiolus, aber es reicht schon. Auf dem Salhof hört alles auf seine Befehle, und der Herr Ebrachar hat ein schlechtes Gewissen, weil er ihn totschlagen wollte. Auch die Ingunde hört auf ihn. So konnte er langsam, Tropfen für Tropfen, diese Heiratsgeschichte in Fluß bringen. Er bedankt sich damit für seine Rettung! Vergebens ringt Pater Fabiolus um die Seele der Jungfrau. Er ahnt die Wahrheit, kann sie jedoch nicht beweisen. Ich kenne sie, bin aber zu schwach. Ihr habt die Wahrheit im Gepäck.“
Er schielte nach meinem Ledersack, der hinter mir auf Grisels Rücken lag. Darin befand sich der Gürtel des Gundobad, den mir Herr Rocco zurückgegeben hatte. Natürlich hütete ich mich vor einer Äußerung, die seinem mißgünstigen Verwandten gefallen und ihn vielleicht zu etwas ermutigt hätte, was nicht in unserm Interesse lag. Es ist ja keineswegs unsere Aufgabe, längst vermoderte Leichen auszugraben. Es geht uns nichts an, was sonst noch unter den Dächern passiert, unter denen wir zufällig Herberge nehmen. Ich gestehe jedoch, daß ich von alldem nicht unberührt blieb und daß ich gespannt war auf die Personen, von denen die Rede war und die von verschiedenen Seiten so unterschiedlich beurteilt wurden.
Wir erreichten das Waldstück, mußten es aber umgehen, da es offenbar schon ein Teil der Befestigung war. Der Weg führte dann an einer endlos langen, übermannshohen Hecke von Weißdorn entlang. Schließlich sammelten wir uns im langen Schatten eines wuchtigen, hochaufragenden Tores.
Das Tor war verschlossen.
3
D ie Ahnungen, die Herrn Rocco schon unterwegs so geplagt hatten, schienen sich also zu bestätigen.
Gewiß hatte der dicke Gutsbesitzer kaum ernsthaft damit gerechnet, daß ihm sein reicher und angesehener Nachbar zum Empfang entgegenziehen würde. Ebrachar gehörte zu den Großen der Grafschaft, ein so vornehmer Herr hat ja nicht einmal nötig, dem Comes {10} entgegenzureiten. Überhaupt kann so einer sich manches erlauben, was einem anderen als Grobheit und Unhöflichkeit ausgelegt würde. Daß man hier allerdings vor einem erwarteten Gast, einem künftigen Verwandten dazu, das Tor verriegelte, war höchst ungewöhnlich. Wir waren lange weithin sichtbar durch die Ebene gezogen, unmöglich, daß man uns von den verschiedenen Türmen und Beobachtungsposten aus, die solche Herrensitze umgeben, nicht bemerkt hatte. Selbst wenn vorher schon der Befehl ergangen war, das Tor am Abend zeitig zu schließen, müßte man unsere Ankunft gemeldet haben. Herr Rocco war nicht nur heftig empört, sondern auch uns gegenüber in Verlegenheit. Was immer er vorher befürchtet hatte, dies war zu arg! Seine Ehre stand auf dem Spiel. Man ließ einen Edlen, wenn auch minder bedeutend, nicht wie einen Pilger oder Bettler vor dem Tor warten. Natürlich vermutete er sofort neue Ränke des Paters Diabolus. Eine Erklärung für diesen Empfang, schimpfte er, sei nur in dem vorübergehenden Sieg der gegnerischen Partei zu suchen. Doch triumphiere der Feind zu früh. Er könne ja nicht verhindern, daß man das Gastrecht in Anspruch nehme. Auch wisse er nicht, daß man einen Vetter des Herrn Ebrachar mitbringe. Habe man aber erst einmal Einlaß gefunden, werde man auch am Ende den Kampfplatz behaupten. Mit solchen Reden machte Herr Rocco sich Mut. Dann befahl er einem Knecht, an das Tor zu schlagen, und rief laut nach der Wache.
Wir hielten uns vorerst zurück und warteten. Odo war taktvoll genug, den Rocco nicht noch mehr zu beleidigen, in dem er sich selber zum Sprecher der Einlaßbegehrenden machte. Um aber die Wahrheit zu sagen, er hatte für einen Augenblick die Sprache verloren. Denn auch er hatte nun die Frau bemerkt, die auf dem höchsten Turm des Anwesens, der uns von weitem schon entgegengeleuchtet hatte, in einem Bogenfenster unter dem Dach saß.
Ich war ja, wie erwähnt, schon längst auf sie aufmerksam geworden. Immer wieder war mein Blick, als wir uns dem Herrenhaus näherten, nach jenem Fenster hinaufgewandert, das ab und zu zwischen Baumkronen und über der Weißdornhecke sichtbar wurde. Da hatte ich denn zuerst eine schwarze Haarmähne ausgemacht und ein großes, weißes, ovales Gesicht, dessen Züge schön und anmutig sein mußten. Im milden Licht des späten Nachmittags, unter dem klaren
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