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Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Titel: Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Refektorium. Gewiß, es ist angenehm, wenn man zum Mahle etwas Erbauliches hört. Und wer könnte besser von heiligen Männern erzählen als du …“
    „Heute will ich von einer Frau berichten.“
    „Nun, vielleicht ist auch eine heilige Frau nicht …“
    „Es ist eine Braut! Und ihre Schönheit wird in meiner Geschichte gewiß nicht weniger gerühmt als in dem Preislied, das uns entgangen ist.“
    „Aber Ihr werdet doch nicht Euern Traum erzählen!“ rief die Ingunde erschrocken.
    „Einen Traum? Ihr hattet einen Traum?“ krächzten die beiden alten Frauen. „Oh, bitte, laßt hören …“
    „Das ist leider nicht möglich, edle Damen“, erwiderte Fabiolus mit einer graziösen Geste des Bedauerns. „Am Schluß des Traums erschien mir der Erzengel Gabriel, der es ausdrücklich untersagte. Nein, ich will eine Geschichte erzählen, die sich tatsächlich begeben hat. Zur Unterhaltung und Belehrung!“
    „Aber vorher trink einen Schluck!“ rief Ebrachar. „Damit die Geschichte gut in Fluß kommt!“
    „Gott wird es mir nachsehen“, sagte Fabiolus lachend und hielt dem Knecht seinen Becher hin. „Wenn Bruder Lupus mich nicht verrät …“
    Er zwinkerte mir wieder schelmisch zu.
    „Zur Unterhaltung und Belehrung!“ sagte Odo gedehnt, mit leiser Stimme, wobei er sich zu mir herüberbeugte. „Diese Worte hab ich schon mal gehört.“
    „Von wem?“
    „Von ihm.“
    „Was?“
    „Aber wann war das? Und wo?“
    „Du mußt dich täuschen.“
    „Nein … Er fällt ja wahrhaftig auf. Ist so schön wie … wie hieß dieser griechische Gott?“
    „Du meinst Apoll?“
    „Jaja … Er hatte auch so etwas an, so etwas Griechisches …“
    „Das ist doch unmöglich! Ein Ordenspriester!“
    „Zur Unterhaltung und Belehrung …“, murmelte Odo.
    Der Pater Fabiolus erhob sich, streifte die weiten Ärmel seiner Kutte zurück, damit seine schlanken Hände mehr Freiheit zum Gestikulieren gewannen, und begann zu erzählen.
    Ich beobachtete diesen seltsamen Priester mit wachsender Spannung. Noch immer hatte ich mich nicht ganz von der Bestürzung erholt, als mir Rocco eröffnete, nicht der häßliche Koloß, sondern dieses vollendete Ebenbild Gottes sei sein geschmähter Diabolus. Man wünscht sich nun einmal das Schöne zum Schönen, wie es auch umgekehrt oft schwerfällt, in einem buckligen, triefäugigen, mit Geschwüren bedeckten Einsiedler den erhabenen Geist und die reine Seele zu finden. Mein erster Gedanke war, daß Rocco, roh, stumpf und habsüchtig, wie er war, den Fabiolus nur einfach verleumdet hatte. Doch schon die wenigen Eindrücke, die ich bei diesem Mahl empfing, ließen mich dem dicken Gutsherrn stille Abbitte leisten. Es war in der Tat nicht zu übersehen, daß der Pater sowohl über Ebrachar als auch über seine Tochter eine gewisse Macht ausübte, die er recht ungeniert mißbrauchte. Wie er mit wenigen Worten aus dem Diebstahl der Kerzen fast eine Wohltat machte, erschien nicht nur dem Cleph, sondern auch mir als Dreistigkeit. Nicht weniger als die fast selbstverständliche Art, mit der er den Einwand des Hausherrn abtat und jetzt das Wort nahm. Und was hatte es mit diesem Traum auf sich? Warum schrie die Ingunde erschrocken auf, als sie glaubte, er würde ihn erzählen? Sollte er das Gebot des Erzengels Gabriel vielleicht schon verletzt haben, als er mit ihr am Nachmittag unter dem Apfelbaum auf der Bank saß?
    „Es lebte einmal ein König“, begann Fabiolus, „der hatte eine Tochter mit Namen Valeria. Sie war schön wie die Morgenröte oder wie eine Rose im Tal, lieblich war ihre Gestalt und süß ihre Stimme. Ihre Augen ähnelten tiefen Teichen, ihre Wangen Granatäpfeln, ihre Lippen scharlachroten Schnüren. Wie weiße Schäfchen leuchteten ihre herrlichen Zähne. Ihr Hals war wie ein elfenbeinerner Turm, und ihre zwei Brüste erinnerten an junge Rehzwillinge. Und erst ihr Wuchs! Er war hoch wie der eines Palmbaums. Viele Freierwünschten sich, ihre Zweige zu berühren. Doch war die Schöne ein verschlossener Garten, ein versiegelter Born …“
    So ging es weiter. Ich merkte gleich, daß ihm das Hohelied Salomos den Text lieferte. Er vergaß auch nicht, den Gang der Jungfrau sowie ihre Lenden und ihren Schoß zu rühmen. Ich fand das recht arg von einem Mönch, doch außer Odo, der einen leisen Pfiff ausstieß, verwunderte es niemand, da die meisten der tönenden Worte an den Ohren der biederen Franken vorbeiklingelten. Die junge Einfalt machte wieder ihre Denaraugen, die

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