Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
ich? Fünfzig! Gehen wir zu meinem Vater! Bestätigen soll er's, sonst ist es Diebstahl!“
Der Mönch brummte etwas zur Antwort, das ich aber nicht mehr verstand. Nur einmal drehte er sich noch um und brüllte:
„Subulcus!“
Der so Angeredete, offenbar ein früherer Schweinehirt, kam aus der Kapelle, raffte die Kutte bis zu den Oberschenkeln, nahm die drei Stufen im Sprung und rannte hinterher. Rasch hatte er seinen Gefährten eingeholt.
Der Vilicus blieb schimpfend und gestikulierend an der Seite der Mönche.
„Da seht Ihr es!“ sagte Herr Rocco, der inzwischen bis an die Stufen der Kapelle herangekommen war. „Da habt Ihr selbst einen Eindruck, wie sie es treiben! Ist das gottgefällig? Ist das erlaubt?“
„Angeblich hat ja Herr Ebrachar zugestimmt“, sagte ich.
„Ah, glaubt Ihr das wirklich? Nehmt Ihr wahrhaftig an, sie hätten ihn vorher gefragt? Natürlich, wenn sie es täten … Er würde ihnen zu jeder Kerze noch einen silbernen Kandelaber schenken! Ein Elend ist das, ein furchtbares Elend! Ich hoffe, Ihr tragt dem Cleph nichts nach. Ein geplagter Mann, ein wahrhafter Dulder! Verwaltet ein Gut, macht Gewinn und muß tatenlos zusehen, wie durch die Hintertür alles hinausgeschleppt und gestohlen wird. Das Herz bricht einem, der selber ein Gut hat und so etwas sieht! Was meint Ihr? Könnte nicht der Herr Odo dem Ebrachar ins Gewissen reden? Damit er endlich Vernunft annimmt?“
„Ich habe keineswegs den Eindruck, Herr Ebrachar wisse nicht, was er tut.“
„Ah, so ist das! Ihr heißt das noch gut, Ihr seid einverstanden!“ rief der Dicke entrüstet. Er besann sich aber sofort und fügte seufzend hinzu: „Nun, vielleicht ist das Eure Pflicht, Ihr seid selber Mönch. Ihr könnt wohl nicht anders.“
„Ich hatte noch keine Gelegenheit, die Verhältnisse zu studieren“, sagte ich in verweisendem Ton. „Und es ist auch nicht meine Art zu urteilen, ohne alle Parteien gehört zu haben.“
„Gewiß, gewiß, Ihr seid Richter …“
„Hier bin ich nur Gast. Doch ich gestehe, daß Ihr schon unterwegs meine Neugier geweckt habt. Ich hätte den Pater gern kennengelernt, dem Ihr so heftige Vorwürfe macht.“
„Den Diabolus?“
„Er heißt wohl Fabiolus.“
„Nun, wenn schon …“
„Herr Ebrachar sagte, er werde die Nacht hier verbringen. Er scheint es sich aber anders überlegt zu haben.“
„So? Umso besser! Aber ich weiß davon nichts.“
„Da hinten geht er doch.“
„Wer? Der Diabolus?“
„Ja, ist er das nicht? Der Große? Der mit den Kerzen?“
„Aber nein! Das ist nur der Zacharias. Ein Untier … stiehlt, säuft und frißt. Und reißt Zähne aus, darin ist er geschickt. Mir hat er auch schon einen herausgeholt. Aber sonst ist er nur ein dummer Tölpel. Er ist sogar fromm, wenn er auch aussieht wie der Leibhaftige …“
In diesem Augenblick trat zehn Schritte von uns entfernt der schöne Mönch aus der Pforte des Gartens. Leichtfüßig kam er näher.
„Mein teurer Herr Rocco!“ rief er. „Wie freut es mich, Euch gesund wiederzusehen. War der Weg sehr beschwerlich? Gelobt sei der Herr, der Euch beschützt hat!“
Er lächelte jetzt auch mir zu, schelmisch, als seien wir alte Bekannte. „Für mich wird es nun aber auch Zeit. Gott liebt die Pünktlichen!“
Flugs trat er in die Kapelle ein, schlug schwungvoll das Kreuz und ließ sich vor dem Altar auf die Knie nieder.
„Das ist er!“ zischte Herr Rocco.
„Wer?“
„Na, wer schon? Der Pater Diabolus!“
5
F abiolus!“ rief Herr Ebrachar. „Fabio! Da bist du ja endlich! Setz dich. Hör zu! Mein Vetter Odo ist gekommen, der Sohn meines Onkels Leudast, von dem ich dir öfter erzählt habe, des Helden der Belagerung von Saragossa. Er ist seinem Vater ähnlich wie ein Goldsolidus dem anderen … sieh ihn dir an, dort sitzt er! Ist er nicht eine Augenweide? Ein echter Merowinger! Bei Hof ist er eine wichtige Persönlichkeit, er reist nach Paris, im Auftrag des Königs. Das ist sein Amtsgefährte, Herr Lupus, aus einer bedeutenden Familie in Ostfranken. Unterwegs fiel ihnen ein, mich zu besuchen. Und dies, liebe Gäste, ist mein teurer Fabiolus, der mir über so viele traurige Stunden hinweghalf, der mir Gottes Wort brachte und meine Seele tröstete, als ich glaubte, verzweifeln zu müssen wegen des Todes meines geliebten Gundobad. Setz dich doch, Fabio, warum stehst du denn?“
„Ich will nicht stören bei dem glücklichen Wiedersehen. Vielleicht sollte ich mich lieber zurückziehen.“
„Nein, nein,
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