Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
das erlaube ich nicht! Du bleibst! Du bist mein Gast wie alle anderen. Vielleicht wunderst du dich … ja, ich geb's zu, ich habe schon ein paar Becher Wein getrunken. So viele wie lange nicht mehr. Und wie du siehst … herausgeputzt hab ich mich auch. Alles zu Ehren meines Vetters. Und auch du wirst jetzt einen Becher leeren, Fabio, was immer deine Mönchsregel dazu sagt!“
Pater Fabiolus, der als letzter gekommen war, neigte sein schönes Haupt, lächelte demütig und ließ sich am Ende der Tafel nieder.
Wir hatten uns in einem kleinen Saalhaus versammelt, das unseren Schlafhäusern gegenüber auf der anderen Seite des Gartens lag. Auch hier wirkte Tradition fort, denn zweifellos war dies schon vor undenklichen Zeiten ein Speisesaal, ein sogenanntes Triclinium gewesen. Die erhaltenen Teile des Mosaikfußbodens zeigten Gelageszenen von bedenklicher Freizügigkeit. Natürlich war die römische Sitte, im Liegen zu speisen, längst abgeschafft und durch die germanische ersetzt worden: Wir hockten auf Bänken um einen schweren Eichentisch. Wir – das waren neben dem Gastgeber und seinen Söhnen Odo und ich, Rocco, Bobo und Drog sowie etwa ein Dutzend Männer aus dem Gefolge des Hausherrn, die meisten schon vorgeschrittenen Alters, Verwandte seiner verstorbenen Gemahlin und kleine Edle aus der Umgebung. Dazu kamen drei weibliche Mitglieder des Haushalts.
Das Mahl war nicht allzu üppig und hatte mit einiger Verspätung begonnen, weil niemand mit Gästen gerechnet hatte und in der Küche noch schnell ein paar Hühner und Gänse geschlachtet werden mußten. Als alles angerichtet war, fand man den Hausherrn nicht gleich, er mußte gesucht werden. Im Überschwang der Freude über das Wiedersehen war er mit Odo bis in den entferntesten Winkel des Weinkellers vorgestoßen, wo man die beiden nicht gleich gefunden hatte. Dann wollte er sich plötzlich noch umkleiden. Die vom Wein befeuerten Gespräche über die alte Herrlichkeit der Merowinger (die Vettern waren Abkommen einer Seitenlinie des früheren Königsgeschlechts) hatten in ihm das Verlangen geweckt, einmal wieder ein seidenes Hemd und ein brokatenes Wams anzulegen und sein spärliches Haar mit einem diamantenbestückten Band zu umwinden. Dies hatte er seit dem Tode des Gundobad nicht mehr getan. In solcher Aufmachung, ein Schwert an der Seite und hochgestimmt, doch schon etwas unsicher auf den Beinen, erschien er schließlich im Speisesaal.
Hinter ihm trat seine Tochter Ingunde ein. Es wunderte mich nicht mehr, in ihr die Jungfrau wiederzuerkennen, die ich zuvor im Garten beim vertrauten Gespräch mit dem Pater gestört hatte. Sie wurde Odo, ihrem Onkel, vorgestellt, der sie so herzhaft umarmte und küßte, daß sie über und über errötete. Als die Reihe an mich kam, sie zu begrüßen, reichte sie mir die Hand, vermied es aber, den Blick zu heben. Sie wollte auch dem Bobo die Hand geben, doch der war bei ihrem lieblichen Anblick vollkommen erstarrt, so daß er vor Überraschung kein Glied rühren konnte. Als Herr Rocco ihn in die Seite stieß, hatte sich die Ingunde aber schon gleichgültig abgewandt. Zwischen zwei alten Tanten, Ebrachars Schwestern, die an der Seite des Witwers Hausfrauenpflichten versahen, ließ sie sich am Ende der Tafel nieder.
Ich beobachtete sie, als Fabiolus eintrat. Da wurden ihre blauen Augen wieder rund wie Denare, und sie stieß einen hörbaren Seufzer aus. Der schöne Mönch warf ihr einen beseelten Blick zu, als er ihr gegenüber Platz nahm.
„Wenn so der Teufel aussieht“, brummte Odo, „ist die Hälfte der Menschheit unrettbar verloren.“
Dasselbe mochte Herr Rocco denken. Er dachte wohl auch an die Wiese, die ihm verlorengehen würde, wenn Jesus' Brautwerber, wie er den Pater genannt hatte, den Sieg über seinen Bobo davontrug. Er tauschte einen grimmigen Blick mit dem Cleph, der ein Stück fortrückte, als sich der Pater neben ihm niederließ. Auf diesen Augenblick schien der Vilicus nur gewartet zu haben. Er beugte sich vor, stieß einen Ellbogen hart auf den Tisch und sagte:
„Wißt Ihr, Vater, daß man Euch wieder bestohlen hat?“
„Mich bestohlen? Wer sollte das wagen?“
„Heute war es der Zacharias. Er hat so viele Kerzen fortgeschleppt, daß es in Eurer Kapelle bald finster sein wird. Wie sollen die Bauern solche Verluste ersetzen?“
„Aber ich habe es doch erlaubt“, sagte Ebrachar seufzend.
„Habt Ihr das wirklich?“
„Nun, nicht ausdrücklich. Ich sagte dem Bruder Zacharias, er könne meiner
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