Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
mit, daß mich ein Frühstück erwarte, und ich folgte ihm in den Speisesaal. Dort fand ich bereits Herrn Rocco vor, behaglich mit dem Verzehr der Reste des gestrigen Mahls beschäftigt. Ich trank nur einen Krug Milch.
Herr Rocco, der schon wieder gesprächig war, hatte bereits von meinem Mißgeschick erfahren und stellte verschiedene Vermutungen an. Ich ließ ihn reden. Mein gewaltsam geöffneter Reisesack kam mir nicht aus dem Sinn. Da fiel mir plötzlich auf, daß ich bei der Überprüfung des Inhalts einen Gegenstand unbeachtet gelassen hatte. Er hatte nicht zu den Dingen gehört, die ich gewöhnlich mit mir führe. Nur ein paar Stunden hatte er in dem Sack gesteckt, und so war mir sein Verlust nicht gleich aufgefallen.
„Der Gürtel des Gundobad!“ sagte ich laut.
„Wie meint Ihr?“ fragte Herr Rocco, seine Erörterung unterbrechend.
„Er wurde mir heute nacht gestohlen.“
„Ah, wirklich? Der Gürtel, den Ihr gefunden habt? Verflucht, das ist übel! Wer war das wohl? Habt Ihr einen Verdacht?“
„Noch nicht. Aber es konnte nur jemand sein, der wußte, wo sich der Gürtel befand. Und der sich davon einen Nutzen versprach, daß er ihn an sich brachte.“
„Ihr glaubt doch nicht etwa, daß ich …?“
„Natürlich nicht. Ihr seid ein Edelmann. Wenngleich es ja, wie Ihr zugeben werdet, durchaus in Euerm Interesse läge …“
„Daß er verschwindet und nie wieder auftaucht. Das ist richtig. Zum Teufel! Es fehlte noch, daß er Ebrachar unter die Augen kommt … jetzt, wo sich alles so prächtig anläßt! Wahrhaftig, Vater, ich hätte ihn Euch vielleicht wirklich gestohlen, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, daß er in Euerm Sack wohlverwahrt war. Aber wer war es, bei allen Heiligen? Es wird doch nicht jemand noch versuchen, mit Hilfe des Gürtels …? Vielleicht der Diabolus?“
„Wie sollte der an meinen Reisesack kommen?“
„Die Brüder haben hier ihre diebischen Finger in jedem Winkel.“
„Aber wußten sie von dem Gürtel?“
„Man könnte es ihnen verraten haben.“
„Und an wen denkt Ihr dabei?“
Wir sahen uns an. Herr Rocco schob seine Hauer vor, und sein Bart schien sich plötzlich zu sträuben. Er packte das Messer, mit dem er Fleisch von den Knochen geschnitten hatte, und stieß es mit voller Kraft in die Tischplatte.
„Drog!“ schrie er. „Drog war es, dieser Schmarotzer, dieser Dreckhaufen! Hätte ich den Kerl nur zu Hause gelassen! Von Anfang an hat er vorgehabt, die Verlobung zu stören. Da kam es ihm sehr zupaß, daß Ihr den Gürtel gefunden hattet … nun will er das ausnutzen. Er war es! Wer sonst? Dieser elende Hund! Weich wie Käse schlage ich ihn, wenn er mir in die Hände gerät! Ich zieh ihm das Fell ab und mache daraus eine Satteldecke! Ich …“
„Wo ist er jetzt? Wißt Ihr das?“ rief ich dazwischen, bevor seine rohe Einbildungskraft ihn zu weiteren Drohungen hinriß.
„Wo er ist? Ich weiß es nicht! Hätte ich eine Ahnung, ich … Vielleicht ist er bei Ebrachar!“ unterbrach er sich plötzlich erschrocken. „Ja! Vielleicht hat er ihm schon den Gürtel gezeigt …“
„Das wäre möglich. Als ich vorhin in die casa sah, war er nicht mehr auf seinem Lager. Wann ist er aufgestanden?“
„Da fragt Ihr mich? Kann ich mich um jeden Hund kümmern, der sich vor meinem Bett zusammenrollt?“
„Wann habt Ihr ihn denn zuletzt gesehen?“
„Ihr stellt Fragen! Wann soll das gewesen sein? Gestern abend … hier, wo wir jetzt sitzen. Aber auf einmal war er weg. Das fiel mir auf, als ich ihm befehlen wollte, ein Preislied auf die Braut …“
„Ja, ich erinnere mich. Er kam nicht wieder.“
„Da füttert und hätschelt man so einen Vogel, und wenn er singen soll … Ah, jetzt haben wir's! Während wir hier versammelt waren, ist er in die casa geschlichen und hat den Gürtel gestohlen!“
„Und wo war er in der Nacht?“
„Wo wird er gewesen sein? Bei einer der Mägde. Der geile Köter findet immer eine. Als er noch Advocatus war, hat er ein ganzes Nonnenkloster besprungen, deshalb hat ihm der Bischof ja einen Tritt gegeben. Er ist keine dreißig Jahre alt, sieht aber aus wie ein Greis, wird vor Schwäche bald eingehen. Wenn ich ihn vorher nicht totschlage!“
Herr Rocco erhob sich schnaufend und schloß seinen Gürtel.
„Und jetzt gehe ich und suche den Kerl! In einer von diesen Hurenhütten wird er schon sein. Vielleicht kann ich noch das Ärgste verhindern. Wenn aber nicht, dann gnade ihm Gott!“
Er stieß beinahe mit Cleph
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