Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
seufzend. Dabei tauschte er einen Blick mit Herrn Rocco.
„Wenn ich mich nur an alles erinnern könnte!“ jammerte Ebrachar. „Ich weiß nur noch, daß er im Zorn davonlief. Er war enttäuscht und gekränkt, wegen des Testaments. Übrigens, wo ist es geblieben. Habt Ihr es, Vater?“
„Ich habe es, ja.“
„Es war unrecht von meinem Vetter, er irrte! Alles ist Eigentum, nichts Benefiz. Der König hat damit nichts zu schaffen. Ich kann es beweisen, hab eine Urkunde. Heute morgen ist es mir eingefallen. Ich werde sie holen lassen!“
„Euer Vetter hat es nur gut gemeint“, sagte Herr Rocco, „damit Ihr nichts übereilt. Ihr wollt doch noch heiraten! Was sollen die Söhne erben, die Ihr noch zeugen werdet, wenn Ihr mehr als die Hälfte Eures Gutes …“
„Heiraten! Söhne! Hört auf damit, Nachbar!“ fuhr Herr Ebrachar heftig dazwischen. „Wer ist nur auf diesen dummen Gedanken gekommen? Ich bin alt. Was soll ich noch mit einer Frau? Ich muß an mein Seelenheil denken. Schickt noch einen zweiten Knecht zu Fabio! Er soll ihm sagen, daß alles ein Irrtum war und …“
„Ich kann keinen zweiten schicken, Vater“, erwiderte Cleph. „Ich hab keine mehr, sie sind alle zur Jagd.“
„Zur Jagd! Zur Jagd! Warum mußten sie auch zur Jagd gehen! Es war nicht nötig. Wo ist Sigiwald?“
„Er ist mitgeritten. Euer Vetter, Herr Odo, will auf ihn achtgeben.“
„Es ist gefährlich, und Sig ist unerfahren. Du hättest es nicht zulassen dürfen!“
„Was habe ich ihm schon zu sagen? Würde er mir vielleicht gehorchen? Außerdem habt Ihr es selber erlaubt.“
„Ihr habt mich nicht richtig verstanden! Wer hört schon zu, wenn ich etwas anordne! Niemand kümmert sich mehr um mich! Wenn ich in Ohnmacht falle, läßt man mich draußen im Garten liegen. Ich hätte heute nacht sterben können …“ Er greinte und nörgelte weiter, und es gelang mir einfach nicht, zu Worte zu kommen. Vermutlich plagten ihn noch schlimmere Teufel als die, welche mir zugesetzt hatten. Immer wieder rief er nach seinem Fabio. Schließlich wurde es Herrn Rocco zuviel, und er sagte:
„Was ist nun, Nachbar? Wollt Ihr um Euern Fabio jammern oder endlich mit Eurer Tochter reden, so wie Ihr es gestern versprochen habt? Ihr habt sie rufen lassen, hier ist sie. Nun redet!“
„Ich will ihn nicht heiraten!“ rief die Ingunde mit schriller Stimme, wobei sie Ebrachars Beine mit ihren Armen umschlang und ihren Kopf an sein Knie preßte. „Zwingt mich nicht, Vater, Ihr habt es geschworen!“
Ihre Tränenbäche, die fast versiegt waren, flossen wieder reichlich.
„Nun, Kind, beruhige dich, warum weinst du denn … Hab keine Angst! Noch ist nichts entschieden …“
„Nichts entschieden?“ schnaubte Herr Rocco. „Was soll das heißen? Haben wir einen Vertrag ausgehandelt? Wozu bin ich mit Geschenken gekommen?“
„Ihr seht doch aber, daß sie sich fürchtet. Sie ist vielleicht noch zu jung …“
„Als ob das ein Grund wäre! Was für ein Vater seid Ihr, Nachbar? Befiehlt hier das Ei, und die Henne gehorcht? Auch ich habe meinem Bobo …“
„Den Bobo will ich nicht! Er ist häßlich und grob!“ heulte das Mädchen.
„So habt Ihr Eure Tochter erzogen!“ höhnte Herr Rocco. „Sie beschimpft ihren Bräutigam, Ihr aber schweigt dazu. Was wird sie da erst in der Ehe tun! Gewiß, mein Sohn ist kein frommer Pater, lächelt nicht, schleicht nicht auf Zehen, spitzt nicht den Schnabel und tiriliert. Mein Bobo ist aus besserem Holz! Der reitet zur Jagd und holt Wildbret damit wir ein Fest feiern können!“
„Zu einem Fest gibt es keinen Anlaß!“ sagte ich rasch, eine Pause nutzend, in der er verschnaufen mußte.
„Was? Keinen Anlaß? Wie kommt Ihr darauf? Was geht das Euch an? Bei aller Hochachtung, Vater …“
„Euer Verwandter, der Drog, ist tot!“
Rocco starrte mich einen Augenblick ungläubig an. Dann sagte er verächtlich:
„Tot? Er ist tot, der Narr? Wie hat er das angestellt? Hat er sich in einer Hurenhütte zu Tode geritten?“
„Er wurde umgebracht.“
Herr Ebrachar wehrte das Mädchen ab, das immer noch seine Beine umklammert hielt, erhob sich und trat auf mich zu.
„Umgebracht, sagt Ihr? Hier, auf dem Salhof?“
„Wir fanden ihn in der Grube hinter dem Turm. Der Mord geschah heute nacht. Drog wurde erdrosselt und dann aus einem der Fenster gestoßen.“
Die Ingunde schrie auf, schlug die Hände vor das Gesicht und lief fort.
„Im Turm erdrosselt? Dann aus dem Fenster geworfen? Heute
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