Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
eigenartig vor. Der seltsame Priester zelebrierte eine Messe, und wir durften alle ministrieren. Doch welchem Gott wurde hier gehuldigt? In welchem Zusammenhang standen dazu die Vorgänge, die mir Rouhfaz erzählt hatte? Ich entsann mich jetzt auch wieder meiner nächtlichen, etwas vom Weingenuß verwirrten, aber doch aufschlußreichen Unterredung mit Odo, seine Erinnerung an die drei zweifelhaften griechischen Heilkünstler auf dem Markt von Soissons, von denen einer Fabiolus selbst, der zweite aber wohl Zacharias war. Sollte der dritte der kleinwüchsige Bruder Medicus gewesen sein, der im Krankensaal des Klosters die Aufsicht führte?
Während alle noch fröhlich durcheinanderredeten, vernahm man plötzlich von draußen Rufe und Hundegebell. Einige im Saal merkten auf und fragten sich, ob das wohl schon die Jäger seien. Eigentlich war es noch zu früh, erst eine Stunde vor Mittag. Es war auch üblich, unter Hörnerklang heimzukehren. Und wenn es die Jäger waren … warum war bisher kein Wächter herbeigeeilt, um ihre Ankunft zu melden?
Die Stimmen näherten sich, sie klangen erschrocken und aufgeregt. Auch Schreie, von Frauen ausgestoßen, mischten sich jetzt darunter. Die Scherze im Saalhaus verstummten. Ebrachar selbst wurde aufmerksam, hob den Kopf und gab einem seiner Leute ein Zeichen, er solle nachsehen, was es gäbe.
Der Mann eilte nach der Tür, riß den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Im nächsten Augenblick wich er zurück, um Platz zu machen. Erschrocken ließ er kein Auge von dem, der nun eintrat.
Es war Odo. Besser sollte ich sagen: Es war ein Mann, der Odo ähnelte. Ich habe kaum je einen Menschen gesehen, der sich in kurzer Zeit so verändert hatte.
Düsteren, starren Blickes, mit fahlem Gesicht, die Stirn und die Wangen voll blutiger Kratzer, das Haar zerzaust und gesträubt – so verharrte er auf der Schwelle, mit seiner hohen Gestalt den Türrahmen fast einnehmend. Sein Mantel hing ihm in Streifen und Fetzen von der Schulter, auch sein Wams und die Hose waren zerrissen. Am linken Oberarm hatte sich ein Blutfleck ausgebreitet. Blut bedeckte auch seine rechte Faust, die den Schwertgriff umklammerte.
„Odo!“ rief Ebrachar. „Vetter! Was ist Euch passiert?“
Er erhielt keine Antwort. Odo machte ein paar schwerfällige Schritte in den Raum hinein, und jetzt erschienen hinter ihm zwei weitere Männer, auch sie mit finsteren, starren Mienen, in zerrissenen, blutbefleckten Kleidern, erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Es waren Heiko und Fulk.
„Berichtet uns doch, was geschehen ist!“ rief nun auch ich und trat ihnen entgegen. „Warum schweigt ihr denn?“
Aber Odo erwiderte nichts und schob mich beiseite. Dann zog er mit einen Ruck das Schwert aus der Scheide. Er trat vor Herrn Ebrachar hin und streckte den Arm mit der Waffe aus.
„Nimm das Schwert, Vetter“, sagte er dumpf, „und gib mir damit, was ich verdient habe!“
„Du erschreckst mich zu Tode!“ rief Herr Ebrachar. „Warum sollte ich gegen dich das Schwert erheben?“
„Weil du dazu verpflichtet bist.“
„Verpflichtet – warum?“
„Das wirst du gleich sehen. Nimm das Schwert, ich verlange es!“
Unter Odos furchtbarem Blick streckte Herr Ebrachar seine zitternde Hand aus und packte den Schwertgriff.
In diesem Augenblick gab es am Eingang wieder Bewegung. Vier Knechte trugen auf einer blutbefleckten Satteldecke, die sie an ihren vier Enden faßten, etwas herein, das nicht gleich zu erkennen war. Es war eine leichte Last, sie mußten sich nicht anstrengen. Auf ein Zeichen Odos traten sie an seine Seite und breiteten die Decke auf dem Fußboden aus. Nun sah man, was darin lag.
Es war der leblose Körper eines schmalen Jünglings mit blutverschmiertem Gesicht und einem tiefen Loch in der Brust.
„Dein Sohn Sigiwald“, sagte Odo, „den ich zu schützen versprach. Er wurde an meiner Seite ermordet, ohne daß ich auch nur die Hand rührte. Ich bin schuldig an seinem Tode. Zögere deshalb nicht und tue, was nötig ist. Bestrafe mich, wie ich es verdiene!“
Mit diesen Worten kniete Odo neben dem Leichnam nieder und beugte den Nacken. Herr Ebrachar stieß einen rauhen Schrei aus, der wie das Geheul eines tödlich verwundeten Tiers klang. Taumelnd, mit qualvoll verzerrter Miene erhob er sich von seinem Stuhl. Er packte das Schwert mit beiden Fäusten und schwang es hoch über Odos Kopf. Ich sah meinen Freund schon verloren. Doch da verdrehte Ebrachar plötzlich die Augen, und das Schwert
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