Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
nicht länger verweilen zu können. Es gab allerdings auch niemand, der uns zurückhalten wollte. Herrn Ebrachar, den man zur Ader gelassen hatte, suchten wir gar nicht erst auf, um ihm eine weitere Aufregung zu ersparen. Cleph ließ sich nicht mehr blicken, sondern schickte uns nur einen Knecht mit der nicht mißzuverstehenden Meldung, unser Wagen sei wieder fahrtüchtig. Herr Rocco riet uns sogar zum Aufbruch, weil das Fest, das wir mit unserer Anwesenheit beehren sollten, ja nun in nächster Zeit nicht stattfinden werde. Wir könnten beruhigt reisen, denn er selber wolle dem Ebrachar, sobald dieser wieder bei Kräften sei, die ganze Wahrheit über den Tod seiner Söhne mitteilen. Sicherlich sollte dann aber dem Bobo bei der Verfolgung der Mörder Sigiwalds ein besonders heldischer Anteil zukommen, was unsere Leute natürlich bestreiten würden. Wußten sie doch, daß er sich bei der Nachhut aufgehalten, ja sogar als einer der ersten aufgegeben hatte. Es konnte also auch Herrn Rocco nur recht sein, wenn wir verschwanden.
Einen gab es, der triumphieren würde, wenn auch vielleicht zu früh: den Pater Fabiolus. Bevor wir aufbrachen, kam es seinetwegen zwischen Odo und mir noch zum Streit. Odo wollte ihn gleich ergreifen lassen, befragen, mitnehmen und dem Grafen vorführen. Mein Amtsgefährte hatte zwar bei der Verfolgung den Zacharias nicht wiedererkannt, doch als auch er die Geschichte des Rouhfaz gehört hatte, gab es für ihn keinen Zweifel mehr, daß die drei griechisch gewandeten Scharlatane vom Markt in Soissons sich in der Kutte der Benediktiner einem noch mörderischeren Handwerk zugewandt hatten. Ich war der Meinung, daß es nicht allzuviel nützen würde, sich des Fabiolus gleich zu versichern. Wir hatten kein Recht, ihn zu verhören, noch weniger, ihn zu richten, da er nur der Gerichtsbarkeit des Klosters, das heißt seines Abts unterworfen war. Außerdem würde seine Ergreifung die Brüder warnen, sie würden das Kloster in eine Festung verwandeln. Anfangs sah Odo dies ein, aber dann fragte er plötzlich heftig, ob ich denn wolle, daß zu allem Unglück auch noch der Heilige Geist über die Ingunde käme, um den im Traum verheißenen Papst zu zeugen. Da wußte ich nichts zu erwidern, und Odo schickte Heiko und Fulk, damit sie den Fabiolus ergriffen. Doch sie konnten ihn nirgendwo finden und kamen unverrichteter Dinge zurück. Von einem Knecht erfuhren wir dann, daß er kurz vorher seinen Esel bestiegen und den Salhof sehr eilig verlassen habe.
„Der Fuchs hat den Jäger gewittert und ist schleunigst in seinen Bau gekrochen“, sagte Odo ärgerlich. „Also müssen wir ihn dort herausholen.“
„Wahrscheinlich hat er inzwischen erfahren“, vermutete ich, „daß ihr den Zacharias und die anderen bis an die Klostermauer verfolgt hattet. Daß wir also die richtige Spur haben. Trotz des schlau ausgeführten Blendwerks, mit dem er uns heute morgen verwirren wollte.“
„So besann er sich wieder seiner wahren Natur.“
„Mit dem größten Erfolg. Er bekam stürmischen Beifall.“
„Den er noch mehr liebt als den Gewinn“, meinte Odo. „Es schmerzte ihn gestern weniger, das Testament nicht erhalten zu haben, als daß wir ihn auf dem Gebiet bezwangen, wo er sonst der überlegene Meister ist – der Komödie. Er war ein schlechter Verlierer und wurde wütend.“
„Ja, und das hat er bereut. Diese Wut konnte ihn verdächtig machen. Nachdem er – sicher nicht ohne Wissen des Abts – dem Zacharias und seinen Kumpanen den Hinweis gegeben hatte, daß die Gelegenheit günstig sei, nun auch den zweiten Haupterben Ebrachars aus dem Wege zu räumen, beriet er sich mit seinem Gott … oder vielmehr dem Teufel. Und der gab ihm den Rat, schleunigst Milde zu zeigen und als Wohltäter aufzutreten. Er hat mir sogar das Testament entlockt, um es wirkungsvoll zu vernichten.“
„Ohne Risiko, da ja wieder ein Erbe umgebracht wurde.“
„So ist es. Es wäre ja ohnehin ein neues Testament fällig. Noch etwas üppiger, versteht sich.“
„Die Brüder werden staunen, was sie bekommen: den Strick um den Hals!“ rief Odo. „Trotzdem, der erste Schritt war zu zaghaft. Warum habe ich nur diesen Schlingel entwischen lassen! Ich hätte ihn mir gleich schnappen müssen, als ich zurückkehrte. Warum tat ich es nicht?“
„Weil du ihn wieder mal im Komödienspiel übertreffen wolltest“, erwiderte ich spöttisch.
„Ich merke schon, du hast mich durchschaut. Daß ich dem Ebrachar das Schwert gab, war
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