Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
sagte Herr Ebrachar und gab einem seiner Leute ein Zeichen. „Sie beweist, daß der König Chlothar meinen Ahnen beschenkt, nicht belehnt hat.“
Der Mann hielt mir behutsam auf beiden Händen eine verblichene Charta hin, welche altertümliche, kaum noch lesbare Schriftzeichen enthielt. Ich sah auf den ersten Blick, daß sie echt war. Deshalb betrachtete ich das Blatt nur flüchtig und sagte:
„Wie könnte ich daran zweifeln, Herr Ebrachar, daß dieses Dokument alle Fragen beantwortet. Es ging uns auch weniger darum, die Berechtigung Eurer Entschlüsse in Frage zu stellen, als ein wenig Zeit für Euch zu gewinnen. Wir hatten den Eindruck, daß die Bestimmungen des Testaments mit Euren Plänen für die Zukunft nicht gut vereinbar wären. Deshalb wollten wir Euch Gelegenheit geben, noch einmal nachzudenken.“
„Wenn es so ist, seid Ihr noch mehr zu loben!“ rief Fabiolus. „Dann habt Ihr die seltene Gabe, den Dienst für Recht und Gesetz zum Vorwand zu nehmen, um gute Taten zu vollbringen. Denn hört nur! Auch mir gabt Ihr damit Gelegenheit, nachzudenken und alles noch einmal zu erwägen. Ich tat es gründlich, mit Gottes Hilfe, ich verbrachte die ganze Nacht im Gebet und in der Zwiesprache mit dem Herrn. Und am Morgen ging ich zu unserem hochedlen Abt Agilhelmus, und wir beredeten alles noch einmal und kamen gemeinsam zu dem Entschluß: Wir entlassen Herrn Ebrachar aus allen Verpflichtungen, die er gegen das Kloster übernommen hat. Soll er sein altes, starkes Geschlecht vermehren, soll er sein Gut unter seine Söhne aufteilen, die lebenden und die noch ungeborenen. Soll er seine Tochter verheiraten und ihr eine reichliche Mitgift geben. Wir erteilen zu allem unseren Segen!“
Ein Jubelruf der Versammlung antwortete ihm. Anscheinend waren sie aber schon vorher unterrichtet und daher so guter Laune gewesen. Fabiolus nutzte nur mein Erscheinen, um noch einmal die Labsal ihres Beifalls zu kosten. Es gelang ihm vollkommen. Ebrachar standen Tränen in den Augen.
„Fabio!“ rief er. „Du machst mich glücklich! Die neuen Pläne erschienen mir heute morgen zu kühn, ich wollte sie wieder fallenlassen. Nun aber …“
„Habe ich Euch schon gesagt, edler Herr, daß ich von unserem Abt die Erlaubnis erwirkt habe, in Euerm Namen bei der Witwe des Vicarius Harietto vorzusprechen? Bin ich erfolgreich, werdet Ihr bald ihr Gemahl sein!“
„Ach, du mein Wohltäter …“
„Auch mit der Verheiratung Eures Sohnes Sigiwald wartet nicht lange! Er ist nun ein Mann, er geht auf die Jagd. Euer berühmter Vetter wacht über ihn und leitet ihn an. Berechtigt er nicht zu den schönsten Hoffnungen?“
„O Fabio, wie deine Worte mir guttun! Bis jetzt hielt ich Sigiwald für einen Schwächling und Taugenichts. Doch du hast recht, er hat sehr gute Anlagen. So werde ich deinen Rat befolgen und ihn in diesem Jahr noch verheiraten!“
„Da wird es ja hier eine Hochzeit nach der anderen geben!“ sagte Fabiolus fröhlich und rieb sich die Hände, als sei all das Glück für ihn selber bestimmt.
„Wenn du nur auch die Ingunde umstimmen könntest!“ rief Herr Rocco. „Sie ist immer noch störrisch!“
„Beruhigt Euch! Lange wird sie sich nicht mehr sträuben. Sie ist eine gute, fromme Seele. Ein bißchen geistlicher Zuspruch …“
„Wenn du das fertigbringst, bist du ein Engel!“
„Ah, edler Herr, das erstaunt mich aber! War ich bis jetzt nicht für Euch der Teufel?“
„Was? Wie?“
„Habt Ihr nicht den Einfall gehabt, mich Pater Diabolus zu nennen?“
„Ich …?“
Der Dicke wand sich vor Verlegenheit. Ringsum erhob sich Gelächter. Schließlich stimmte er aber selbst ein, ging auf Fabiolus zu und drückte ihn an sich. Der schöne Pater genoß den Triumph und zupfte Herrn Rocco schelmisch am Ohrläppchen. Dann wandte er sich wieder an mich.
„Und nun, Bruder, seid so freundlich und gebt uns das Pergament heraus! In seiner Güte und Frömmigkeit könnte Herr Ebrachar sich verpflichtet fühlen, das Testament schließlich doch zu unterzeichnen. Deshalb wollen wir es hier vor aller Augen feierlich vernichten!“
Ich zog das Pergament aus der Tasche. Fabiolus nahm es und winkte einem der Gefolgsleute, der eine Lanze hatte. Mit beiden Händen hielt er das Blatt hoch in die Luft, dann spießte er es auf die Lanzenspitze. Wieder empfing er lebhaften Beifall. Er lächelte strahlend, wobei er sich mit einer kleinen, koketten Geste bedankte. Mich wunderte, daß er sich nicht verbeugte.
Mir kam das alles recht
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