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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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deren Hand sich mit einer Geste der Überraschung aufs Herz legte.
    Herr Garibald aber fuhr zornig auf und rief:
    „Sagtest du Irmo? Was will der hier? Ich habe ihm verboten, den Fuß in das Rabennest zu setzen!“
    „Daran haben wir ihn schon erinnert, Herr.“
    „Laß ihn nur hereinkommen, Onkel!“ rief Allard. „Er hat wohl gehört, daß Gerichtsherren hier sind. Vielleicht will er ein Geständnis machen!“
    „Wenn nötig, helfen wir dabei nach!“ schrie Hug.
    Die jungen Adalinge grölten Beifall.
    „Er sagt, man muß ihn vorlassen, weil er ein Abgesandter ist“, fuhr der Knecht fort. „Er hat eine Botschaft vom Herrn Grafen für die hohen fränkischen Herren.“
    „So, eine Botschaft!“ höhnte Garibald. „Das Klagelied des schlechten Gewissens! Nun, auch Rotharis Sohn wird es singen können. Laßt ihn ein – der andere bleibt draußen!“
    „Allein will Herr Thankmar nicht hereinkommen. Nur wenn Ihr auch Herrn Irmo gestattet …“
    „Dann sollen sie beide zum Teufel –“
    „Erlaubt!“ sagte Odo und erhob sich. „Ich werde ans Tor gehen und dort die Botschaft entgegennehmen.“
    Hätte er es getan! Was wäre uns alles erspart geblieben!
    Doch bei Herrn Garibald siegte sofort die Neugier über die Strenge, und er hielt meinen Amtsgefährten am Gürtel fest.
    „Bleibt! Ihr seid mein Gast und ein hoher Würdenträger. Ich kann nicht zulassen, daß Ihr dieses Mannes wegen vom Tische aufsteht. Er ist es nicht wert, drum nehmt wieder Platz! Für Euch will ich eine Ausnahme machen. Führe beide herein!“ gebot er dem Wächter.
    Nun erhob sich ein gespanntes Gemurmel. Herr Garibald stärkte sich mit einem Trunk. Allard und Hug steckten die Köpfe zusammen und flüsterten miteinander. Bei der Witwe bemerkte ich weitere Zeichen von Unruhe. Sie konnte die marmorstarre Haltung nicht mehr bewahren, sondern rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, faltete die Hände und blickte immer wieder zur Tür hin.
    Zwei junge Herren traten ein.
    Der ältere, ohne Zweifel Herr Irmo, war sehr groß und von kraftvoller Gestalt, hatte riesige Fäuste und sogar ohne Brünne {9} die breite Brust eines Panzerreiters. Er sah seiner Schwester ähnlich, nur waren seine Züge gröber und kantiger. Auch ihm wallte dichtes braunes Haar auf die Schultern. Sein leuchtendblauer weiter Mantel, am Hals mit einer Vogelkopffibel befestigt, ließ vorn einen silberbeschlagenen Gürtel sehen, an dem ein Schwert hing. Ich wurde beim Anblick dieses Mannes gleich an die Lieder unserer Sänger von Drachentötern und Walkürenerweckern erinnert. Ungeachtet – oder vielleicht gerade wegen – des schlimmen Leumunds, der ihm vorausging, schien er der fleischgewordene Held jener alten heidnischen Sagen zu sein.
    Herr Irmo ließ einen kühnen und, wie mir schien, etwas spöttischen Blick über die Versammelten gleiten und wandte sich dann an uns am Ehrentisch.
    „Heil! Ich grüße den Hausherrn und seine Gäste!“
    Herr Garibald blickte an ihm vorbei auf den anderen jungen Edlen und sagte:
    „Heil, Thankmar! Der Sohn Rotharis ist immer willkommen im Rabennest. Begrüße deine Verlobte und setze dich zu uns, damit meine hohen Gäste dich kennenlernen!“
    Der Angesprochene war in Verlegenheit. Bescheiden hielt er sich hinter seinem Gefährten, der ihn um Haupteslänge überragte. Er hatte einen prächtigen blonden Lockenkopf, helle Augen und angenehme, freundliche Züge, aber sein Körperbau war etwas schwächlich und seine Haltung recht linkisch. Auch ihm hing ein Schwert an der Seite, doch wie ein Spielzeug, für das er noch nicht groß genug war. Er stotterte sogar ein wenig, als er antwortete:
    „Ich danke Euch, Herr Garibald! Aber wir haben nicht die Absicht, uns aufzuhalten.“
    „Was deinen Begleiter betrifft, so ist mir das recht“, gab der Hausherr zurück, den Irmo noch immer keines Blickes würdigend. „Nur deinetwegen wurde er eingelassen. Ich sehe ihn lieber gehen als kommen!“
    „Euer Wunsch soll erfüllt werden“, antwortete Irmo anstelle des Thankmar, „sobald ich mich meines Auftrags entledigt habe. Zuvor aber will ich meine Schwester begrüßen!“
    Er wandte sich der Luitgard zu, deren dunkles Auge, wenn ich mich bei dem schwachen Licht nicht täuschte, von Tränen umflort war, und sagte:
    „Heil, teure Schwester! Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich hoffe, daß deine Leiden erträglich sind. Wenn nicht, wird dir bald Hilfe zuteil!“
    Der Hauch eines Lächelns huschte über die Züge der edlen Frau. Von Haß

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