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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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und zu flog ein Knochen über den Tisch, um das Gegenüber zu treffen, oder es setzte im Streit um einen besonders fetten Happen ein paar Knüffe und Püffe. Herr Garibald, wenngleich selbst große Mengen von Fleisch verzehrend, wachte mit seinen flinken, hinter den halbgeschlossenen Lidern lauernden Augen aufmerksam über die Ordnung im Saal, und immer mal wieder hob er warnend den Kopf oder drohend die Faust. Er hatte sein Festgewand angelegt und saß neben Odo und mir in der Mitte des Tisches der Herren, der zu den langen Tischen der Gefolgsleute quergestellt war und an dem noch seine Neffen lümmelten. Zwischen ihm und Allard war etwas Platz frei gelassen und ein leerer Becher auf den Tisch gestellt worden. Alle – und wohl besonders wir – sollten so an den Vater der Brüder erinnert werden, der vor kurzem noch hier zu sitzen pflegte. Die meiste Zeit hockte nun aber der struppige Hund des Hausherrn an seiner Stelle auf der Bank und schnappte nach allem, was er erwischen konnte. Hinter den beiden Reihen der Pfeiler, die das Dachgebälk trugen, standen noch ein paar Tische, an denen, nach alter Sitte abseits, die weiblichen Mitglieder der Familie und ein paar betagte Verwandte saßen. Neben der Hausherrin bemerkte man die Mutter des Garibald, eine Greisin mit den starren Augen und ruckenden Kopfbewegungen einer Glucke, auch mit der Freßgier einer solchen. Zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter saß lieblich und frisch, mit vom Bratenfett glänzenden Pausbäckchen die Meinrade.
    Nachdem er gesättigt war, wurde der Hausherr gesprächig, so wie überhaupt nun nach und nach an den Tischen eine lebhafte Unterhaltung in Gang kam. Herr Garibald war sichtlich bemüht, aus unserer Anwesenheit so viel Vorteil wie möglich zu ziehen. Als die Rede auf unser Vorhaben kam, den Bau einer Straße zu befördern, griff er das Thema eifrig auf.
    „Wenn ich Graf wäre, meine Herren, wäre die Straße längst gebaut – das schwöre ich Euch! Ich will ja nichts gegen Rothari sagen, er ist ein Adaling, und wir werden unsere Kinder miteinander verheiraten … doch für ein solches Amt ist er nicht der richtige Mann. Dazu fehlt ihm die nötige Entschlossenheit! Hier macht jeder, was ihm beliebt und was ihn vorteilhaft dünkt, das gemeinsame Wohlergehen dagegen ist ihnen nicht mehr wert als ein Dreck. Ja, als ein Dreck, meine Herren! Was könnte nicht alles getan werden, wenn Abgaben und Bußen in die richtigen Hände kämen! Wenn der Heerbann einem energischen Befehlshaber unterstellt würde! Der König bekäme Geld in Fülle, und das Aufgebot würde immer vollzählig sein. Auch das Königsgut würde vermehrt, wenn man Missetäter und Zinsschuldner mit der nötigen Härte bestrafte. Aber es wird ja nicht einmal Gericht gehalten! Es kann einer sogar lustig morden und muß nicht mal Wergeld zahlen. Bardo, mein armer Bruder“ – Herr Garibald blickte mit gramvoller Miene auf den leeren Becher – „wird nicht gerächt, aber der Mörder wird von Rothari, wie zur Belohnung, zum Anführer seiner Gefolgschaft befördert! Könnt Ihr Euch vorstellen, meine Herren, wieviel Mühe es mich kostet, meine Neffen von einer blutigen Fehde zurückzuhalten? Sind sie dazu nicht sogar verpflichtet? Bin ich selbst nicht dazu verpflichtet, um die befleckte Familienehre zu reinigen? Da seht Ihr, wohin es führt, wenn eine starke Hand fehlt, die im Namen des Königs die Dinge ordnet. Ich hatte schon keine Hoffnung mehr, aber nun ändert sich vielleicht doch noch alles. Wie froh bin ich, daß Ihr gekommen seid und …“
    Herr Garibald verstummte plötzlich und blickte nach der Tür, wohin sich jetzt gleichzeitig aller Augen wandten. Dort war gerade eine Frau erschienen. Sie kam nicht auf ihren Füßen herein, sondern wurde, auf einem Armstuhl sitzend, von zwei Knechten getragen.
    Die Erscheinung war ungewöhnlich genug, um nicht nur von uns Fremden, sondern auch von allen anderen im Saal mit Interesse begafft zu werden. Es war eine noch junge, sehr schöne Frau, die hoch aufgerichtet, die Arme auf die Lehnen des Stuhls gestützt, hereinschwebte. Stolz trug sie den Kopf erhoben, unbewegt war ihre Miene. Das Stirnband konnte ihr braunes Haar kaum bändigen, es wallte so dicht auf die Schulter herab, daß es die eine Hälfte des Gesichts vollständig bedeckte. Die andere, sichtbare Hälfte war edel gezeichnet, doch sehr blaß, das dunkle Auge blickte ernst, der Mund mit den ebenfalls bleichen Lippen war fest verschlossen. Bekleidet war die junge

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