Odo und Lupus 04 - Die Witwe
zappelnde Fräulein stützten. Kinder und Hunde bildeten das Gefolge.
Herr Rothari gewann jetzt schnell seine gute Laune zurück. Lachend trat er selbst in den Kreis und gab Befehle. Als Irmo seiner Verletzung wegen aufgeben mußte, nahm er sogar seinen Platz ein und lief eine Runde. Schließlich hielten sie an und halfen der Dulderin herunter, die halb ohnmächtig, aber dennoch glücklich zu sein schien. Irmo, der uns inzwischen begrüßt hatte, fing sie an seiner Brust auf. Mit seinem breiten, sieghaften Lächeln erwiderte er den beseligten Aufblick des zarten Wesens, das federleicht in seinem Arm hing. Wuchtigen Schrittes, wobei Eddila auf ihren kraftlosen Beinen kaum folgen konnte, führte er sie zu einem der Häuser. Thankmar wich Irmo nicht von der Seite und folgte ihm wie ein Hündchen.
„Die drei dort sind meine ganze Hoffnung!“ sagte Herr Rothari, ihnen nachblickend, mit einem stolzen Lächeln. „Mein Platz hier wird nicht verwaisen, wenn ich auch fortgehe.“
Wir standen zu zweit beieinander. Odo hatte sich nach den Ställen begeben, um sich zu vergewissern, daß sein Impetus gut versorgt war.
„Es scheint Euch wahrhaftig damit Ernst zu sein“, sagte ich.
„Vollkommen, Vater! Je näher Rom, desto näher die Seligkeit!“
Wir lachten.
„Aber der König kann beruhigt sein“, fuhr er fort. „Mein Haus ist bestellt. Und für das Amt ist mein Sohn ein würdiger Nachfolger. Er ist klug und besonnen, erfüllt von edlem Tatendrang. Einen Besseren an meiner Stelle kann sich der König nicht wünschen! Allerdings ist er kein Mann der starken Faust, und das könnte einige der Herren dort oben, die Raben, Geier und Habichte, übermütig machen. So ist es gut, daß er den Irmo hat, einen treuen Schwager und Gefolgsmann, klugen Ratgeber im Frieden, entschlossenen Kriegsmann im Unfrieden. Die beiden, Vater, werden gemeinsam im Namen des Königs das Tal und eines Tages auch die Berge beherrschen! Ist das nicht ein prächtiges Tier?“ rief er aus, als in diesem Augenblick ein Knecht die kleine Stute vorbeiführte. „Es ist ein Brautgeschenk des Irmo für meine Eddila! Im Vertrauen … Ich habe dem Mann, der das Pferd verkauft hat, heimlich fünfzehn Solidi dazugegeben. Irmo durfte das natürlich nicht wissen, es hätte ihn tödlich beleidigt. So glaubt er nun, durch geschicktes Handeln den Preis erzielt zu haben, den er bezahlen konnte.“
„Der Hochzeit steht also nichts mehr im Wege“, bemerkte ich.
„Nein!“ erwiderte er und rieb sich fröhlich die Hände. „Und wenn Ihr ein paar Wochen hierbleibt, Vater, werdet Ihr sie selbst noch erleben!“
Er zwinkerte mir in einer Weise zu, die komplizenhaft wirkte, und zum ersten Mal störte es mich, daß er mich offensichtlich als Gleichgesinnten und Vertrauten betrachtete. Als ob nicht vor einer Stunde noch, auf seinem ‚Olymp‘, von einem Mord die Rede gewesen wäre, und als hätte er nicht, wenn auch nur einen winzigen Augenblick lang, die Möglichkeit eingeräumt, daß Irmo der Täter sein konnte.
„Was ist nur los mit dir, mein Freund?“ fragte mich Odo, als wir uns später am Brunnen die Füße wuschen. „Viel Scharfsinn hast du heute nicht blicken lassen. Dein Geist scheint mir nicht mehr ganz klar zu sein. Mach es mal wie mit deinen Füßen. Schabe die dicke Kruste ab, die sich da angesetzt hat!“
„Was denn für eine Kruste?“
„Trägheit und Anbiederei.“
„Nun übertreibe mal nicht!“
„Täusche ich mich oder wolltest du nichts davon wissen, daß der Hätschelbengel des Grafen, dieser Irmo, einen verteufelt guten Grund hatte, dem Bardo vom Rabennest den Garaus zu machen?“
„Mich wundert, daß du so abfällig über den Irmo redest. Er schien dir doch zu gefallen.“
„Zu Anfang ja. Aber das änderte sich. Mein Verstand ist eben noch nicht verkrustet.“
„Nun gut. Was seine Schwester, die Frau Luitgard, betrifft, so habe ich mich getäuscht. Daß ihr so Schlimmes widerfahren ist, ahnte ich nicht. Wenn aber ihr grausamer Gemahl dafür mit dem Leben büßte, so hatte doch immerhin der Totschläger fast einen edlen Beweggrund …“
„Ich bin vollkommen deiner Meinung! Einer Frau das Gesicht zu zerstören, noch dazu, wenn sie so schön ist wie diese, ist ein dreimal todeswürdiges Verbrechen! Wer es bestrafte, hätte also sogar einen dreifach edlen Beweggrund!“
„Nun, und was wirfst du ihm vor?“
„Daß es nicht dieser dreifach edle, sondern ein einfacher und eher unedler Grund war, weshalb er den Rabennestmann
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