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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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einer Unfreien.“
    „Das ist nun wohl übertrieben.“
    „Warum nanntet Ihr ihre Geschichte traurig? Und warum rief Irmo ihr zu, er werde ihr helfen, falls ihre Leiden nicht mehr erträglich seien?“
    „Nun, wenn ich ‚traurig‘ sagte“, erwiderte Herr Rothari langsam, sorgfältig seine Worte wählend, „so wollte ich damit nur mein Bedauern ausdrücken … über das Schicksal einer jungen Edelfrau, die in das Rabennest dort verschlagen wurde, unter diese Barbaren. Auch Irmo wird das gemeint haben.“
    „Ihr spracht deutlich von schlechter Behandlung.“
    „Auch wieder nur allgemein, Herr Odo. Bardo war ein roher Geselle, Garibald steht ihm nicht viel nach. Da ist sicherlich dies oder jenes vorgefallen. Aber das ist ja nichts Ungewöhnliches.“
    „Genaueres könnt Ihr nicht sagen?“
    „Ich habe wirklich sehr wenig Kenntnis von dem, was dort oben geschieht. Wenn Ihr Beispiele wünscht …“
    „Vermutlich wird sie zur Arbeit genötigt“, bemerkte ich, um ihm zu helfen. „Sie soll ja eine geschickte Weberin sein.“
    „Jaja, das ist es!“ sagte Rothari rasch, als sei es ihm ebenfalls gerade eingefallen. „Man beutet sie aus! Sie macht ihnen Stoffe mit hübschen Mustern, die sie teuer auf den Märkten verkaufen. Das bringt ihnen tüchtig Gewinn.“
    „Dies könnte natürlich der Grund sein, weshalb man sie nicht aus der Munt entläßt“, fuhr ich fort. „Sie ist ihnen zu wertvoll. Vielleicht mußte sie von Anfang an ihre Mitgift nachträglich erarbeiten. Andererseits hat man den Eindruck, daß ihre vornehme Herkunft respektiert wird. So gibt man ihr zum Beispiel zwei Knechte, die sie in einem Stuhl herumtragen müssen. Weil sie sich die Füße verletzt hat.“
    „Was hat es mit dieser Verletzung auf sich? Wißt Ihr das?“ fragte Odo den Grafen.
    Rothari zögerte einen Augenblick. Es schien, als müsse er die Falten seines Gesichts erst ordnen und ihnen einen besonders bitteren Ausdruck verleihen. Dann sagte er:
    „Ja. Ja, ich weiß es.“
    „Wollt Ihr uns auch darüber aufklären?“
    „Es sind die Folgen eines Gottesurteils.“
    „Eines Gottesurteils?“
    „Iuditium ferri candentis.“
    „Wie? Man ließ sie über glühendes Eisen …?“
    „Neun Pflugschare. Wie es Vorschrift ist.“
    „Wer hat das angeordnet?“
    „Ich selbst.“
    „Ihr?“
    „Das befremdet Euch, ich verstehe das“, sagte der Graf, Odos empörtem Blick ausweichend. „Im Westen und Süden des Reiches kommen solche Urteile selten vor. Dort wirkt ja noch immer das römische Recht. Hier dagegen … Es ist altes Volksrecht, seit Hunderten von Jahren im Gebrauch. Es nicht anzuwenden heißt, sich als Richter um seine Autorität bringen.“
    „Und wessen wurde sie angeklagt?“
    „Des Ehebruchs. Ein Jahr nach der Hochzeit. Hug, der Sohn des Bardo, wollte beobachtet haben, wie sie sich irgendwo im Wald mit einem Liebhaber traf.“
    „Dieser Liebhaber …“
    „Unbekannt. Der Bursche erkannte ihn jedenfalls nicht.“
    „Was geschah?“
    „Hug meldete alles seinem Vater. Die Luitgard stritt ab und zieh ihn der Lüge. Doch Bardo glaubte ihr nicht und brachte sie vor unsere Versammlung.“
    „Er erschien also vor Euerm Gericht.“
    „Wie ich schon sagte, sie kamen manchmal, um anzuklagen. Die Luitgard behauptete auch vor mir ihre Unschuld, doch das Zeugnis des Hug war nicht zu umgehen. Da sich die Wahrheit nicht ermitteln ließ, mußte ich schweren Herzens das Urteil Gottes zu Hilfe rufen. Wahrhaftig, ich hätte es gern vermieden! Aber die Leute hier sind nun einmal gewöhnt, daß in einem solchen Fall …“
    „… neun glühende Pflugschare für die Wahrheit sorgen!“
    Noch immer mied der Graf Odos Blick.
    „Anfangs ging sogar alles gut“, fuhr er, an mich gewandt, fort. „Die Luitgard lief barfuß über das Eisen, und wir hörten nicht einen einzigen Schmerzenslaut. Ich sah dies schon als Beweis ihrer Unschuld an. Als sie drei Tage später wieder erschien, damit der Zustand ihrer Füße amtlich begutachtet wurde, erließ ich es ihr, die Binden abzunehmen. Da sie vom Esel steigen, ein paar Schritte laufen und aufrecht vor mir stehend im Ring noch einmal ihre Unschuld beteuern konnte, sprach ich sie frei. Ich tat es, obwohl viele dagegen schrien. Sie wollten die unversehrten Füße sehen.“
    „Und Bardo … Nahm er das Urteil ohne Widerspruch an?“ fragte Odo.
    „Er nahm es an. Und er brachte die Luitgard zurück in sein Rabennest. Aber nach wie vor glaubte er wohl an ihre Schuld, und das Unglück

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