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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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wollte es – oder war es wirklich der Richterspruch Gottes? –, daß sie sich doch erheblich verletzt hatte. Ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen. Man erzählte nur, daß ihre Wunden nicht heilen wollten und daß sie sich lange nicht vom Lager erheben konnte. Als sie aber so weit genas, daß sie aufstehen konnte, vermochte sie zwar, sich fortzubewegen, aber nur mühsam, stark hinkend … Sie mußte gewaltige Willenskraft aufgebracht haben, als sie am dritten Tage noch vor mir erschien. Natürlich beschuldigte man mich nun mehr oder weniger offen, zu ihren Gunsten ein Fehlurteil gefällt oder vielmehr das Gottesurteil verfälscht zu haben. Das alles war sehr unangenehm …“
    „Bardo war also überzeugt, daß sie schuldig war. Nun wird er sie wohl nicht besser behandelt haben als vorher!“
    „Ich kann Euch wieder nur sagen, was ich gehört habe. Was man sich in den Schenken erzählte oder was Allard berichtete, wenn er betrunken war. Eines Tages, nachdem er sie wieder mit Vorwürfen überhäuft hatte, soll Bardo ein Messer gezückt und auf sie eingestochen haben. Es heißt, er habe sie schwer im Gesicht verletzt. Was daran wahr ist, weiß ich nicht. Deshalb erwähnte ich es auch nicht, als Ihr mich fragtet. Ihr saht die Luitgard …“
    „Sie verdeckt die eine Gesichtshälfte mit ihrem Haar. Dennoch ist sie sehr schön!“ sagte Odo grimmig.
    Wir schwiegen lange. Die Sonne war hinter Wolken verschwunden, ein leichter Wind ließ die Blätter der Linde rauschen. Herr Rothari erhob sich, trat an den Rand der Plattform und blickte lange ins Tal hinunter.
    „Ich ahne, was Ihr jetzt denkt, Herr Odo“, sagte er schließlich. „Natürlich wußte Irmo davon. Aber er ist wie fast alle hier im alten Volksglauben befangen, der ein Gottesurteil für unfehlbar hält. Auch für ihn war seine Schwester schuldig – trotz meines Freispruchs. Die Wunden gelten nun einmal als Beweis. Und der Ehebruch einer Frau ist eine unverzeihliche Missetat. Wir sind nicht in Rom, wir sind in Thüringen! Ob Irmo es für angemessen hielt, daß Bardo die Luitgard noch schlimmer bestrafte, kann ich nicht sagen. Wir haben nie darüber gesprochen. Er vermied seit jenem Gerichtstag, seine Schwester auch nur zu erwähnen. Ich weiß aber, daß er sie liebte, und also wäre es wohl möglich …“ Er unterbrach sich plötzlich und machte eine Bewegung, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen. „Und trotzdem glaube ich es nicht! Nein, meine Herren! Ein Meuchelmord nachts im Wald? Vortäuschung eines Überfalls durch die Feinde? Selbst wenn man annimmt, daß es tatsächlich die Sachsen waren, die den Bardo ausraubten, nachdem sie seinen Leichnam gefunden hatten … es ist dem Irmo nicht zuzutrauen! Ich gehe sogar noch weiter. Ich wäre bereit, seine Unschuld durch einen Eid zu bezeugen. Und nicht nur ich würde für ihn bürgen. Sollte Garibald ihn anklagen, werden sich auf der Stelle so viele angesehene Männer erheben, daß sie dreimal den Zwölfereid {16} leisten könnten! Garibald weiß das natürlich. Deshalb bezweifle ich, daß er klagen wird …“
    Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Odo schwieg hartnäckig und betrachtete die Landschaft. Ich knüpfte mit Herrn Rothari ein neues Gespräch an und erkundigte mich, wie es im Tannengrund um unseren Glauben bestellt sei. Er gab knappe Auskunft und deutete auf die Punkte im Tal, wo sich Kirchen befanden. Es waren sehr wenige, doch ich wollte die frostige Stimmung durch meine Fragen nicht weiter abkühlen. Wie der zähflüssige, trübe Rest aus einem Weinkrug tropfte die Unterhaltung dahin, um schließlich ganz zu versiegen.
    Da stiegen wir die Leiter hinab und machten uns auf den Rückweg.
    Ein heiteres Schauspiel erwartete uns auf dem Salhof.
    Im Kreis standen Knechte und Mägde, gaffend und lachend. Eine sanfte kleine Stute mit glänzendem Fell wurde herumgeführt. Thankmar, Rotharis Sohn, hielt die Zügel, während Irmo versuchte, die sich heftig sträubende Eddila zum Aufsteigen zu bewegen. Zweifellos hatte die fromme Jungfrau noch nie auf dem Rücken eines Pferdes gesessen. Irmo, die verletzte Schulter in verknotete Tücher verpackt, redete aufmunternd auf sie ein, doch vergebens. Schon ließ er sie los, aber als sie nun fliehen wollte, legte er blitzschnell den linken Arm um sie, hob sie auf, lief mit ihr ein paar Schritte und setzte sie mit Schwung in den Sattel. Die kleine Stute trabte davon, während Irmo und Thankmar links und rechts mittrabten und das kreischende,

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