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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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umbrachte.“
    „Und welcher?“
    „Er wollte Schwiegersohn des Grafen werden. Desselben Mannes, der zuvor seine schöne Schwester über das glühende Eisen gejagt hatte. Mit der Folge, daß sie nun lahm ist.“
    „Aber Odo! Das sind diese alten Bräuche zur Urteilsfindung, Überbleibsel des heidnischen Volksrechts, die man als Richter nun mal …“
    „… um jeden Preis anwenden muß?“
    „Das nicht …“
    „Es gibt Möglichkeiten, sie zu umgehen … sie durch andere zu ersetzen, die zwar auch nicht vernünftig, aber nicht ganz so unmenschlich sind. Warum kam der empfindsame Herr, der hoch in den Lüften Verse schmiedet, nicht auf eine solche Möglichkeit? Indem er zum Beispiel einen Zweikampf anordnete, damit sein Gefolgsmann die beleidigte Ehre seiner Schwester vor Gericht mit der Waffe verteidigen konnte? Und warum hat der Gefolgsmann, der seine Schwester so liebt, seinem Herrn, bei dem er so sehr in Gunst steht, diese Lösung nicht abgerungen?“
    „Darauf weiß ich auch keine Antwort. Doch … eine vielleicht …“
    „Und die wäre?“
    „Daß der Vorwurf gerechtfertigt war. Daß sie tatsächlich einen Liebhaber hatte. Oder daß sie zumindest alle davon überzeugt waren und deshalb aus Abscheu –“
    „Sagtest du Abscheu?“ fuhr Odo mich an, wobei er mich schüttelte und dabei anstarrte, als ob er mich fressen wollte. „Weil sie einen Liebhaber hatte? Nun, ich bin sicher, sie hatte einen! Wie hätte sie denn das Leben ertragen können, nachdem man sie in das Bett eines alten Scheusals geworfen hatte? Und dafür sollte ein Freund der üppigsten Wandmalereien, der seine Jugend in Gallien und Italien verhurt hat, unter andrem mit Chorherren, kein Verständnis haben? Dafür mußte er sie über glühende Pflugschare jagen?“
    „Odo …“
    „Und dieser liebende Bruder, dem sie die Schuldhaft ersparte, dem sie mit ihrem Opfer Freiheit und Ehre gerettet hat … der sollte nicht hundertmal für sie die Waffe blankziehen, und wenn sie hundert Liebhaber hätte?“
    „Was verlangst du von diesen Menschen?“ erwiderte ich, wobei ich auf dem Brunnenrand von ihm wegrückte, damit er mich endlich losließ. „Nicht jeder denkt so wie du, schon gar nicht über Frauen. Sie leben nach ihren Regeln und tun, was vorteilhaft für sie ist.“
    „Ja“, sagte Odo und strich sich müde mit der Hand über die Stirn. „Du hast wohl recht. Wozu sich darüber ereifern! Ich wollte dir ja auch nur klarmachen, daß es der weniger edle Beweggrund, nämlich der gegenseitige Vorteil war, weshalb die beiden den Bardo umbrachten.“
    „Die beiden?“
    Erschrocken sah ich mich um. Es konnte uns aber niemand hören. Wir saßen allein an dem Brunnen, den ein geräuschvoll plätschernder, schäumender Quell speiste. Vor einer der Hütten, die aber wohl zwanzig Schritte entfernt war, hockten ein paar alte Frauen vom Gesinde. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Tannenwipfel in rötliches Licht.
    „Hast du eben gesagt: ‚die beiden‘?“
    „Ja. Du hast doch gehört, wie sie es gemacht haben. Er hat es uns doch genau erklärt.“
    „Rothari? Das ist meiner Aufmerksamkeit entgangen.“
    „Du warst eben zu sehr auf seine Verse erpicht.“
    „Nun, so schmore mich nicht auf dem Rost. Sprich endlich!“
    „Meinetwegen“, sagte er seufzend und riß Gras aus, um seine Füße abzutrocknen. „Aber paß diesmal gut auf! Bardo war beutegierig. Damit er dem großen Haufen zuvorkam, ging er allein auf Erkundung aus. Wenn es sich lohnte, holte er seine Leute nach, und sie machten den Fischzug, bevor die anderen anrückten. Rothari und Irmo kannten seine Gewohnheit, kurz vor dem Morgengrauen loszuziehen. In dieser Nacht folgte ihm Irmo. Einer beobachtete ihn dabei, der Wilddieb und Heimsucher. Nachdem Irmo den Bardo erledigt hatte, und zwar nicht Brust an Brust, sondern aus einem Hinterhalt, denn der Schädel des Toten war eingeschlagen, sorgte er dafür, daß es nach einem sächsischen Überfall aussah. Anschließend machte er sich kaltblütig an die Erkundung des Dorfes. Als er zurückkam, empfing ihn Rothari als erfolgreichen Kundschafter und erklärte der Truppe, er hätte ihn ausgeschickt. Seine Angaben stimmten, das Dorf war geräumt … also hatte er sich gewissenhaft seinem Auftrag gewidmet. Später wurde der Tote gefunden – wieder einer, der den Sachsen ins Messer lief. Der Zeuge hütete sich, das Maul aufzumachen. Erst nach der Heimkehr ging er zu Garibald. Der forderte auf der Stelle ein gebotenes Ding, eine

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