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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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daß er lügt?“
    „Keineswegs. Er erzählt die volle Wahrheit. Mein Ahn ließ alle seine Verwandten umbringen. Einige erschlug er sogar selbst mit der Axt. Und was kam am Ende dabei heraus? Was blieb nach dem Gemetzel übrig? Das stolze fränkische Reich! Hätte er alle die kleinen Könige, seine Onkel und Vettern, am Leben gelassen, wären wir längst gefressen worden … von Goten, Langobarden, Sachsen, Awaren, Slawen und anderen.“
    „Er bekannte sich zum christlichen Glauben. Gott half ihm, das Reich zu errichten.“
    „Siehst du!“ entgegnete Odo lebhaft. „Gott verzieh ihm das alles! Wahrscheinlich hat er die ganze Bande, ich meine die erschlagenen Onkel und Vettern, gleich zum Teufel geschickt und ihm sagen lassen: ‚Schmore die Schurken in deiner Hölle, mein Freund, wo sie hingehören! Sie wollten Chlodwig, meinen Erwählten, daran hindern, das Reich zu einigen und in meinem Namen zu herrschen!‘“
    „Du willst damit sagen, daß es zuweilen richtig sein könne …?“
    „… ein paar Schurken zur Hölle zu schicken. Ja … Aber das sage ich unter uns. Nur als Mann von Verstand. Wenn Gott jetzt mithört, ist es aber nicht schlimm. Er wird in diesem Fall meiner Meinung sein.“
    „Du meinst im Falle des Irmo. Du findest seine Taten verzeihlich …“
    Odo legte das Messer weg und streckte sich neben dem Brunnen im Gras aus. Es war trotz der späten Stunde sehr heiß. Ich hatte meine Kutte abgelegt und saß, nur mit einer Hose bekleidet, in der Nähe des Quells. Ab und zu streckte ich die Hand nach dem Strahl aus, schöpfte Wasser und ließ es über Arme und Brust rieseln.
    „Vermutlich tat er, was notwendig war“, sagte Odo. „Aber es gibt da nach wie vor einen häßlichen Fleck …“
    „Die Witwe.“
    „Ja. Sie ist sein drittes Opfer. Aber vielleicht war es ebenfalls nötig. Dieser Tannengrund schläft einen langen Winterschlaf. Er braucht den Erwecker.“
    „Er könnte es sein.“
    „So ist es. Und falls er das selbst erkannte, war alles, was er getan hat, folgerichtig. Nur über die dürre Kirchenmaus kommt er ans Ruder, um zu bestimmen, daß das Boot künftig geraden Kurs nimmt. Ich bin sicher, er wird die Straße bauen! Und in ein paar Jahren werden sogar die Habichte, Adler und Geier da oben lieblich zu singen gelernt haben – wie die Finken und Drosseln. Oder es erwartet sie alle ein Rabenschicksal. Dann verenden sie im dichten Gehölz wie Bardo … oder sie werden aus dem Nest gestoßen wie Allard. Unser frommer Alter, der große Karl, hätte gewiß nichts dagegen. Er denkt wie Chlodwig, mein Ahn, auch wenn er es etwas weniger arg treibt.“
    Wir lachten, jedoch nicht fröhlich, und versanken in Nachdenken über den seltsamen Widerspruch, der sich auftat zwischen dem, was gerecht und was richtig war.
    Als wir später durch das Tannenwäldchen zum Salhaus zurückgingen, in dessen kühlem Untergeschoß wir Quartier genommen hatten, brachte Odo die Rede noch einmal auf die Witwe.
    „Ich habe mich erkundigt“, sagte er. „Dem Gottesurteil war auf der Gerichtsversammlung ein heftiger Streit vorausgegangen. So viel habe ich jedenfalls von dem verstanden, was mir ein paar Bauern erzählt haben, in ihrem eigenartigen Diutisk.“
    „Der Streit zwischen Frau Luitgard und ihrem Ehemann Bardo“, vermutete ich.
    „Nein. Zwischen Bardo und Irmo. Bardo verlangte die glühenden Pflugschare, Irmo erbot sich zum Zweikampf. In dieser Beziehung war ich mit meinem Urteil zu hastig. Zumindest hat er versucht, ihr die Tortur zu ersparen.“
    „Dennoch sagtest du, daß sie sein drittes Opfer sei.“
    „Ja. Denn er gab klein bei. Um seine Pläne nicht zu gefährden. Er verzichtete!“
    „Aber was hätte er als Gefolgsmann gegen die Entscheidung des Grafen tun können?“
    „Rothari wollte anfangs selber den Zweikampf. Auch die Beisitzer, die scabini, wollten ihn. Die ganze Versammlung wollte ihn. Es gab fast einen Aufruhr, als sich der Graf dann für die Feuerprobe entschied.“
    „Nach dem Willen des Bardo.“
    „Ja. Er fügte sich.“
    „Und Irmo mit ihm.“
    „Ohne Protest.“
    „Als treuer Gefolgsmann.“
    „Und als Mitwisser.“
    „Wie?“
    „Er wußte, wer ihr Liebhaber war.“
    Ich blieb stehen.
    „Aber das hatte ich doch gleich vermutet!“ rief ich so laut, daß in der Nähe ein paar Vögel erschrocken aufflogen.
    „Ja“, sagte Odo und nötigte mich zum Weitergehen. „Nun erfüllte es ihn nicht, wie du annahmst, mit Abscheu und frommer Entrüstung. Sonst hätte er

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