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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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heftig hervorschoß wie ein Quell. Es sprudelte und schwappte heraus, es übergoß auch den Hals der Braut, durchtränkte ihr Haar, färbte das Hemd und das Bettuch. Gleich darauf aber versiegte es schon, der Kopf mit den todesstarren Augen sank langsam nach vorn, der Körper aber fiel rückwärts und lag nun ausgestreckt auf dem Bette. Und da sahen wir alle den Schaft des Pfeils aus der Brust ragen.
    Im selben Augenblick schrie jemand: „Dort oben!“
    Ich riß den Kopf herum, verdrehte den Hals und bemerkte gerade noch an dem Fenster unter dem Dachstuhl eine Bewegung. Es schien eine Hand zu sein, die sich vom Holz löste und nach unten verschwand. Die Tauben im Dachgebälk gurrten und flatterten aufgeregt.
    „Platz! Er darf nicht entkommen!“
    Odos Stimme. Woher kam sie? Aus einer Ecke der Halle, in der nun der schrecklichste Wirrwarr ausbrach.
    Neben dem Toten lag die blutüberströmte Braut in Ohnmacht. Auch mehrere Frauen und Jungfrauen waren bewußtlos zu Boden gesunken. Herzzerreißende Schreie, Flüche und Drohungen wurden laut. Die meisten strebten nach der Tür, vor der sich ein brodelnder Haufen drängte. Jetzt sah ich Odo durch die Menge rudern, gefolgt von Fulk und unseren Recken. An einen der mit Girlanden umwundenen Pfeiler gelehnt, stand Rothari, den anscheinend jede Tatkraft verlassen hatte. Er starrte unverwandt auf das Bett, als könne er nicht begreifen, was dort geschehen war.
    Auch ich gelangte schließlich ins Freie. Wie fast alle Hochzeitsgäste lief ich nach der Seite des Hauses, wo sich das Fenster befand. Hier sahen wir, wie die Untat geschehen war. Eine Leiter war an die Wand gelehnt, die so lang war, daß sie bis knapp unter das Fenster reichte. Dort oben hatte der Schütze gelauert. Kaltblütig hatte er den Augenblick abgewartet, da er mit seinem Schuß nicht nur sein Opfer sicher töten, sondern auch die furchtbarste Wirkung erzielen konnte.
    Und er war offensichtlich entkommen. Viele der Männer, vor allem die jüngeren, waren ausgeschwärmt – in der Hoffnung, ihn noch auf dem Salhof zu stellen. Doch nicht nur die nächtliche Stunde, auch die Unübersichtlichkeit des teilweise bewaldeten Geländes, das sichere Verstecke bot, war ihrem Vorhaben hinderlich. Außerdem liefen die Suchenden Gefahr, aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden. So kamen die ersten bald unverrichteter Dinge zurück.
    Währenddessen standen die Älteren, die sich nicht an der Suche beteiligten, in Gruppen beisammen und stritten. Man hatte schon festgestellt, daß die Leiter nicht zur gräflichen Wirtschaft gehörte. Also war sie von draußen hereingebracht worden. Wie aber hatte es der Mörder geschafft, sie über den hohen Zaun, an allen Wachen vorbei auf den von Menschen wimmelnden Salhof zu bringen?
    Es war unser Fulk, der die ersten Antworten brachte. Ich sah ihn kommen und lief auf ihn zu.
    „Nun? Habt ihr eine Spur?“
    „Wir haben den Kerl sogar erwischt!“
    „So bringt ihr ihn?“
    „Nein.“
    „Wo ist er?“
    „Das wissen wir nicht.“
    „Aber wieso … und wie …“
    „So wartet doch, Vater! Dort hinten im Zaun ist ein Loch. Sie müssen es heute hineingesägt haben. Bei der Musik und dem Lärm hat's niemand bemerkt. Es waren mehrere, aber nur einer ist reingekommen und hat es getan.“
    „Und ihr habt ihn …?“
    „Herr Odo war's. Der Hundsfott konnte das Loch im Zaun nicht gleich finden. Irrte zwischen den Bäumen umher. Erst schmiß er die Lanze nach uns, dann das Beil. Das war gut, so bekamen wir wenigstens Waffen. Leider fand er das Loch und war draußen, bevor wir ihn hatten. Ich verfehlte ihn mit dem Beil. Aber Herr Odo hat ihn getroffen!“
    „Mit der Lanze.“
    „Der Kerl schrie auf. Wir wollten hinlaufen, aber da tauchten plötzlich mehrere auf, und schon schwirrten uns Pfeile um die Ohren. Nichts zu machen, wir mußten zurück. Und sahen dann nur noch, wie sie ihn fortschleppten, in den Wald.“
    Ein Kreis von Zuhörern hatte sich um uns gedrängt. Auch Odo und die anderen kehrten zurück.
    „Nette Hochzeitsgäste“, knurrte mein Amtsgefährte. „Kamen spät, aber nicht mit leeren Händen. Ich ahnte ja, daß sie etwas tun würden.“
    „Du glaubst also …“
    Odo gab mir ein Zeichen zu schweigen. Er wollte sich nicht vor allen äußern. Da aber sagte einer, der in der Nähe stand:
    „Hug vom Rabennest und seine Bande. Die waren's!“
    Kaum waren diese Worte gesprochen, ertönte aus dem Salhaus ein tiefes, langgezogenes Geheul. Gleich darauf sahen wir Herrn

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