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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Schrecken.
    „Was bedeutet das?“ fragte ich einen, der neben mir stand. Zufällig war es der Dicke vom Geierkamm.
    „Das Leben“, erwiderte er, „die Zukunft der Brautleute. Bleiben die Kerzen brennen, geht alles gut. Erlischt eine, entweder seine oder ihre … ein schlechtes Vorzeichen. Krankheit, Tod …“
    „Aberglaube!“ murmelte ich.
    „Unsinn ist es!“ pflichtete er bei. „Weil Heiraten immer etwas Schlechtes ist. Ihr habt es gut, Mönch! Eines Tages ziehe ich auch die Kutte an und gehe ins Kloster.“
    Er drehte sich um und lugte wieder nach dem Tannenwäldchen. Mich erheiterte der Gedanke, daß eine ungetreue Ehefrau diesen wilden Bergbewohner zum Mönch machen könnte.
    Herr Meginfred drehte sich weiter im Kreis. Vorsichtig hielt er seine Kerzen, besorgt, sie vor jedem Lufthauch zu schützen. Zum Glück war es ein windstiller Abend, unbewegt ragten die Wipfel der Bäume in den sternenbesäten Himmel. Der graubärtige Tänzer wurde mutiger, machte kleine Hüpfer und Sprünge. Wenn dann die Kerzen zu flackern begannen, stöhnten die Frauen und Jungfrauen auf. Dies gefiel ihm, und er wagte noch mehr. Er schwenkte die Arme und kreuzte sie, beugte sich vor und zurück und zog sogar das lahme Bein an, um sich auf dem gesunden ruckend zu drehen. Ich staunte, daß er dies alles noch fertigbrachte, nachdem er schon krügeweise Bier getrunken hatte. Obwohl ich ja nicht an Zeichen und Vorbedeutungen glaube (außer wenn unsere christlichen Oberhirten es ausdrücklich anordnen), bangte ich doch wie alle anderen, er möge ja keine zu rasche Bewegung machen oder gar ausrutschen.
    Irmo stand immer noch in der Mitte, sein schmales Bräutchen im Arm, und lachte gutmütig über die Possen des Alten, als wolle er ihm nur seinen Willen lassen. Doch sah man auch ihm die Spannung an. Kein Auge ließ er von seinem Licht in der Hand des närrischen Orakeltänzers.
    Inzwischen hatte Herr Meginfred im inneren Kreis der Zuschauer eine Runde gemacht. Er kehrte nun zu dem Paar in der Mitte zurück. Das sollte wohl heißen: der Lebenskreis ist vollendet, alles wird gut, euer Licht wird leuchten auf allen Wegen. Aber – ach, da geschah es! Herr Meginfred stürzte. Vielleicht war er auf einem Pferdemist ausgeglitten. Ein Schrei aus zweihundert Kehlen stieg zum Himmel. Der Alte wälzte sich im Gras, und seine Hände umkrampften die Kerzen, die er angestrengt gerade zu halten suchte. Doch nur eine brannte noch, die in seiner Linken, welche der Eddila gehörte. Die andere, Irmos Kerze, war erloschen.
    Einen Augenblick lang herrschte betroffenes Schweigen. Alles verstummte, sogar die Musik. Da aber ertönte plötzlich lautes Gelächter. Irmo trat lachend zu dem Gestürzten, half ihm auf und nahm ihm die Kerzen aus der Hand, die er einer Magd übergab.
    „Ich danke dir, Vater!“ rief er. „Du hast uns eine vortreffliche Kurzweil geboten. Nun aber ruh dich aus, laß die Jungen tanzen. Hier zuckt es schon allen in den Füßen! Warum spielt ihr nicht weiter, Musikanten?“
    Die Fiedel kreischte, der Dudelsack seufzte. Der Alte wankte mit unglücklicher Miene beiseite. Er entriß einem vorübereilenden Knecht einen Bierkrug und ließ sich, den Rücken gegen den Stamm gelehnt, am Fuß einer Kiefer nieder. Auf der Wiese setzten die Füße sich wieder zum Tanz in Bewegung. Irmos Lachen hatte den Bann gelöst. Was sollte auch einem wie ihm geschehen! Sein Licht, gerade erst aufgegangen, würde noch lange erstrahlen.
    Da sah ich auch meinen Amtsgefährten wieder. Unglaublich, auch er unterhielt sich mit dem Dicken vom Geierkamm. Die beiden verstanden sich prächtig, sie umarmten und küßten einander sogar. Gerührt rieb Herr Gumbracht seine eingedrückte Nase an Odos Schulter. Natürlich ahnte er nicht, daß mein Freund die seinige, dieses bemerkenswerte, prachtvolle Stück, tief in seine ehelichen Angelegenheiten gesteckt hatte.
    Plötzlich gab es wieder Bewegung. Es war Zeit – das Brautpaar begab sich zu Bette! Dies war ein Ereignis, das alle anging, denn das Hochzeitsbett muß, wie es ja auch anderswo üblich ist, vor aller Augen bestiegen werden. Sonst ist die Ehe nicht gültig. Für diese letzte Zeremonie war im gräflichen Salhaus alles vorbereitet worden – noch hatte das Paar ja keinen eigenen Haushalt. Die Pfeiler waren mit Girlanden umwunden, den Fußboden hatte man sauber mit Holzmehl bestreut. Tische und Bänke waren fortgeschafft, nur ein wuchtiges Bett stand in der Mitte. War dieses geweiht und hatten sich die

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