Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
des fernen Herrschers notfalls zupacken konnte. Was den Mord an Irmo betraf, so bestand allerdings wenig Aussicht, darüber zu Gericht zu sitzen. Zeugen gab es in Menge, doch keine Beweise, obwohl die wenigsten daran zweifelten, daß es sich um einen Fall von Blutrache handelte. Odos Versuch, dem verwundeten Täter am nächsten Morgen auf seinem Fluchtweg zu folgen, war an einem der schon mehrfach erwähnten urplötzlichen Gewitter gescheitert, das alle Spuren verwischte. Gleichzeitig war Fulk, der sich mit den Recken zum Rabennest begeben und Hug zu sehen verlangt hatte, von Garibald abgewiesen worden. Sein Neffe, war dessen höhnische Auskunft, befände sich schon seit Wochen jenseits der Saale und jage dort Landesfeinde. Es werde ihn aber mit großer Freude erfüllen, wenn er bei seiner Rückkehr vernehme, daß auch ein Feind der Familie dran glauben mußte. Das war eine Lüge, doch nicht widerlegbar. Überzeugt, daß Hug der Mörder war und aufgrund der Verletzung nicht weit gekommen sein konnte, richteten wir nun unser Augenmerk auf Herrn Meginfred. Um das Schlimmste zu verhindern, ließen wir ihn unauffällig beobachten. Die Sonne war zwar schon dreimal untergegangen, und nichts war geschehen. Dennoch blieben zwei Männer aus Rotharis Gefolgschaft auf Posten in der Nähe der Mühle – mit dem Befehl, ihn aufzuhalten, wenn er sich in durchschaubarer Absicht auf den Weg machen sollte.
    Und ich war nun also aufgebrochen, um Frieden zu stiften. Ich wollte dem Garibald folgendes sagen: Wir wüßten, daß sein Neffe der Schuldige sei. Ein Mord im Angesicht zweier Königsboten (was so viel sei wie des Königs selbst), dazu eines Grafen, eines Bischofs und zahlreicher Adalinge sei ein todeswürdiges Verbrechen. Werde der Täter gefaßt, müsse er sterben. Werde er nicht gefaßt, müsse sein Muntwalt die Strafe erleiden. Unerbittlich sei König Karl nach der Erhebung des Grafen Hartrat gegen jeden Thüring, der gegen seine Gesetze verstoße. Aus christlicher Milde und in Anbetracht der Verluste, die die Familie kürzlich erlitten habe, könnten wir uns jedoch zu einem Gnadenakt entschließen. Ermöglichen würde diesen: erstens die Zahlung einer Bannbuße von sechzig Solidi (das heißt eines Zehntels des hier üblichen Wergeldes für einen Adaling); zweitens der mit Herrn Meginfred gemeinsam zu leistende Schwur, künftig Frieden zu halten; drittens der Verzicht auf die Munt über die Witwe Luitgard, welche angemaßt sei und nicht aus einer schriftlichen Übereinkunft belegt werden könne.
    Odo und ich hatten lange beraten, ehe wir uns entschlossen, diesen Vergleich anzubieten. Beweisen konnten wir nichts, doch wir hofften, den Herrn vom Rabennest einzuschüchtern. Die Hinrichtungen nach der Hartrat-Verschwörung waren hier noch in guter Erinnerung. Still voraussetzend, daß das Mordopfer selber getötet hatte, wollten wir aber auf das hohe Wergeld verzichten und Garibald so verhältnismäßig leichten Kaufs aus der Schlinge lassen. Den Hug – wenn auch zähneknirschend – ebenfalls. Und den Meginfred hofften wir zu besänftigen, indem wir ihm seine Tochter zurückschickten.
    Immer schwerfälliger wurde mein Schritt. Immer kürzer ging mein Atem. Es wurde wieder ein heißer Tag, und die Kutte klebte mir an der Haut. Weit konnte es aber nicht mehr sein. Um mich von der Mühsal abzulenken, wiederholte ich im Geiste noch einmal alles, was ich vorbringen wollte, antwortete auch auf mögliche Einwände. Natürlich erwartete ich nicht, daß Garibald ohne Widerspruch zustimmen würde. Ich wollte ihm sogar eine dreitägige Bedenkzeit einräumen. Was aber, wenn er mich gar nicht empfing? Wenn er vielleicht mitteilen ließ, er sei nicht zu Hause? Wenn man mich gar am Tor abfertigte …
    Zum Glück war es nicht nötig, diesen Faden weiterzuspinnen. Plötzlich lichtete sich der Wald, und ich sah in kurzer Entfernung den schwarzen Felsen aufragen. Ein paar hundert Schritte noch, und ich würde am Ziel sein. Vor mir breitete sich am Hang eine Wiese aus. Um an das Tor des Rabennests zu gelangen, mußte ich unter den Bäumen weitergehen, um schließlich ein letztes steiles Stück Wegs hinaufzuklettern. Ich empfand das Bedürfnis, mich vorher ein wenig auszuruhen. In meinem erschöpften Zustand würde ich auch eine zu klägliche Figur machen, was meinem Anliegen schaden konnte. Wenn ich schon allein und ohne Gefolge auftrat, wollte ich doch erhabene Ruhe, Kraft und Sicherheit ausstrahlen. Mit lechzender Zunge und keuchender Brust

Weitere Kostenlose Bücher