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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Brautleute zwischen die Tücher gelegt, würden Verwandte und Gäste die Halle verlassen und hinter sich die Tür schließen. Nur noch die Tauben, die im Gebälk nisteten und durch das einzige, hoch unter dem Dachstuhl gelegene Fenster aus- und einflogen, durften dann als Zeugen verweilen. Später sollten die Gäste noch einmal erscheinen und dem Paar einen Mitternachtstrunk darbieten.
    Zuerst begab sich Irmo zum Salhaus. Ein Haufen des gräflichen Gefolges begleitete ihn. Schwankend, mit geröteten Gesichtern sangen die jungen Männer ein Hochzeitslied, und einige machten dazu Bewegungen, die in anderer Umgebung anstößig gewesen wären, hier aber hellen Jubel auslösten. Sogar ein paar würdige Großmütter kreischten. Das Ereignis, welches bevorstand, erhitzte alle Gemüter. Bei den einen mochte es Erinnerungen, bei den anderen Sehnsüchte wecken. Dies hat unsere Urmutter Eva angerichtet, als sie in den Apfel der Sünde biß, wobei ich freilich glaube, daß sie von anderer Art war als unsere fromme Braut. Kaum war die trunkene Horde thüringischer Satyrn und Bacchanten im Salhaus verschwunden, wurde die dünne, blasse, zarte Eddila herbeigebracht, die eher aussah wie das Lamm, das man zur Schlachtbank führt. Ein paar ältliche Tanten mit strengen Mienen und ein Schwarm aufgeregt tuschelnder Jungfrauen begleiteten sie, von welchen letzteren manche jetzt sicher gern mit ihr getauscht hätte. Auch diese Gruppe verschwand in der Halle.
    Nun gab es an der Tür ein Gedränge, weil jeder, um nichts zu verpassen, den Vortritt beanspruchte. Ich erhielt schmerzhafte Ellbogenstöße. Als ich endlich mit einem Schub hineingelangte, verlor ich die gerade Haltung und fiel in das Holzmehl, das mich über und über bestaubte. Es streckten sich mir aber gleich Hände entgegen, welche mir aufhalfen. Die Halle füllte sich nach und nach. Wir standen alle um das Bett, in mehreren Reihen hintereinander. Ich hatte nicht den günstigsten Platz und mußte mich auf die Zehen stellen. Dabei wäre ich beinahe wieder gestrauchelt. Auch Kinder und Hunde waren hereingekommen und rannten zwischen unseren Beinen umher.
    Endlich erschien der Bischof. Wir wichen zurück, um eine Gasse zu bilden. Der Graf selber und einer der Priester geleiteten ihn, das heißt, sie führten und stützten ihn, denn er war voll wie ein Weinschlauch. Hinter ihnen gingen zwei Priester mit Rauchfaß und Wasserkessel. Auch die anderen drei Kirchenmänner waren so betrunken, daß die Zeremonie, mit der sie am Fuße des Bettes begannen, zur Posse geriet. Der Bischof stammelte und vergaß seinen Text, und seine Helfer schwankten, stießen einander und lachten töricht. Ringsum amüsierte sich alles. Ich aber sah das kummervolle Gesichtchen der frommen Braut, und da gab es kein Zögern mehr. Ich rief Heiko und Rouhfaz, die zum Glück in der Nähe standen, wir drängten uns vor, und gewissermaßen im Handstreich bemächtigten wir uns des Kruzifixes und der heiligen Geräte. Ich sprach den Segen, Rouhfaz räucherte, und Heiko besprengte das Bett mit Weihwasser.
    So stand ich jetzt ganz nahe vor dem Brautlager und sah alles, was noch geschah. Nichts entging mir.
    Irmo bestieg zuerst das Bett und ließ sich zwischen den Tüchern nieder. Aufrecht sitzend erwartete er seine Braut. Er war ein Augenschmaus mit seinen edelgeschnittenen, kantigen Zügen, dem auf die Schultern fallenden Haar, den schwellenden Muskeln der Arme und einer Brust, deren Breite für zwei gereicht hätte und die ein dichtes, gelocktes Vlies bedeckte. Auf der anderen Seite des Bettes wurde die Braut von den Tanten ihrer Hüllen entledigt, bis auf ein Hemd, das aber nichtsdestoweniger ihre dürftige Körperbeschaffenheit bloßlegte. Sie war so mager und zerbrechlich, daß man fast Angst um sie empfand. Mit schamhaft gesenktem Kopf schlüpfte sie dennoch mutig unter das Bettuch, und als sie dafür von uns Beifall und ermunternden Zuruf empfing, lächelte sie sogar und rückte gleich nahe an Irmo heran. Man sah, daß sie ihm in großer Liebe zugetan war.
    Jemand aus der Schar der jungen Gefolgsleute rief: „Küßt euch!“
    Da neigte sich Irmo zu seiner Braut, die sich ein wenig zurücklehnte und zu ihm aufsah, um den Kuß zu empfangen. Im schummrigen Licht der Fackeln war ihr kleines, schmales Gesicht fast weiß, und – schrecklicher Wechsel – im selben Augenblick war es über und über rot, bespritzt, Übergossen mit dunkler Flüssigkeit. Blut! Es war Irmos Blut, das seinem Munde entströmte. Das

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