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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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war das kaum möglich.
    Ich beschloß also, eine kurze Rast zu machen. Die Wiese war leicht gewellt und ziemlich abschüssig und ging an allen Seiten in Wald und Gebüsch über. Das spärliche Gras war abgeweidet. Ich ließ mich in einer Mulde nieder und wollte gerade wohlig die Glieder strecken, als ich in der Mitte der Wiese eine Ansammlung von Sträuchern entdeckte, aus der hie und da rote Pünktchen hervorleuchteten. Ein paar Beeren, um den Durst zu stillen, konnten mir jetzt guttun, und so erhob ich mich wieder und ging dorthin.
    Die Ausbeute war zunächst gering. Ich pflückte eine Handvoll Himbeeren, schob sie in den Mund und hätte gern mehr davon gehabt, fand aber nichts. Da fiel mein Blick auf Sträucher, die sich knapp über dem Boden rankten, mit blauen Beeren. Ich bückte mich und begann mit der Ernte. Am Rande war auch hiervon bald nichts mehr zu finden, und so drang ich ein Stückchen zwischen den Sträuchern zur Mitte vor. Auf einmal hielt ich erschrocken inne. Ich hörte Stimmen.
    Noch sah ich niemand. Aber keine fünf Schritte von mir entfernt, hinter den Zweigen und Blättern, die sie verdeckten, mußten die Sprechenden im Gras liegen. Es waren ein Mann und eine Frau, die sich leise unterhielten.
    Die beiden hatten mich noch nicht bemerkt. Was sollte ich tun? Hervortreten, grüßen und meiner Wege gehen? Das wäre peinlich, auch wenn es sich, wie ich im ersten Augenblick annahm, nur um Leute vom Gesinde handelte, die von der Arbeit ausruhten. Die beiden würden auch einen tüchtigen Schreck bekommen, wenn plötzlich ein rundlicher Kuttenträger aus dem Gesträuch hervorpreschte. Sollte ich warnend mit den Blättern rascheln? Dann würden sie aufmerksam werden und vielleicht glauben, ich sei ihnen nachgeschlichen, aus Neugier oder aus Lüsternheit. Nein, es blieb nur ein stiller Rückzug. Ein paar vorsichtige Schritte würden mich aus der Verlegenheit bringen, und ich konnte mich unbemerkt entfernen.
    Aber ich rührte mich nicht und stand wie erstarrt. Die Stimmen! Wenigstens eine, die des Mannes, kam mir bekannt vor. Es war eine junge Stimme und keineswegs die eines Knechts, denn sie bediente sich nicht der groben Mundart des Volkes. Der junge Mann wußte die Worte zu setzen, obwohl er leidenschaftlich und schnell sprach.
    Es war Thankmar, der Sohn des Grafen.
    „Aber wie kommst du nur darauf?“ sagte er. „Ich habe das alles längst vergessen. Es ist ohne Bedeutung!“
    „Du bist wirklich nicht traurig, weil Garibald eure Verlobung gekündigt hat?“ fragte die Frau.
    Auch diese Stimme, einer Glocke mit hellem, starkem Klang ähnlich, erschien mir nicht unbekannt.
    „Im Gegenteil!“ erwiderte er. „Ich bin froh!“
    „Meinrade wird sich zu Tode grämen.“
    „Soll sie doch. Sie ist dumm und albern. Ich will nur eine … dich!“
    „Seit wann liebst du mich?“
    „Das weißt du doch. Seit dem Tag, als ich dir die Nachricht brachte, im Auftrag meines Vaters. Und als du mir leise sagtest, der Überbringer dieser Nachricht habe eine Belohnung verdient.“
    „Es war das erste, was mir einfiel. Es hätte dich eigentlich abstoßen müssen.“
    „Warum?“
    „Eine Frau, die so spricht, wenn sie vom Tod ihres Mannes erfährt …“
    „Deine Aufrichtigkeit hat mich angezogen. Ich wußte ja, daß Bardo ein Scheusal war.“
    Gott im Himmel! Die Frau, die mit dem Sohn des Grafen unter den Sträuchern im Gras lag, war die Witwe Luitgard.
    „Irmo hat mich von ihm befreit“, sagte sie, und ihre Stimme bebte dabei. „Ich bin sicher, daß er es war.“
    „Ich weiß es nicht“, sagte Thankmar zögernd.
    „Mein Bruder liebte mich, und er litt darunter, daß mich mein Vater denen verkauft hatte. Er wollte etwas von der Schuld wiedergutmachen. Doch damit hat er sich sein Schicksal bereitet!“
    Ich hörte sie mehrmals aufschluchzen. Das Gespräch verstummte für kurze Zeit. Ich wagte nicht, mich zu rühren und stand immer noch auf demselben Fleck in gebückter Haltung.
    „Weine nicht!“ sagte Thankmar dann. „Er wird gerächt, du erhältst Genugtuung. Glaub mir, du wirst zufrieden sein.“
    „Ich vertraue dir!“
    „Aber dann mußt du in die Entführung einwilligen.“
    „Wenn du die Bedingung erfüllst, will ich dein Weib sein. Aber …“
    „Aber …?“
    „Dein Vater wird es verhindern.“
    „Ich bin mündig, denn ich bin waffenfähig!“
    „Er wird eine reiche Braut für dich wollen. Ich bin arm.“
    „Dafür bist du von edler Geburt und entstammst einem alten Königsgeschlecht.

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