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Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Flucht ergriff.
    Wieder umkreiste sie das Feuer, neue Zaubersprüche murmelnd. Ich besann mich plötzlich darauf, daß ich hier im Gesträuch mit Staunen und Starren, Zittern und Zagen die Zeit vertat. Der Tod eines Menschen wurde beschworen. Die Blutquelle sollte weiter strömen. Ich mußte sofort herausbekommen, welche Genugtuung es war, die der Sohn des Grafen der Witwe mit seinem Dolch verschaffen sollte. Wenn ich wußte, wohin er unterwegs war, würde es schon eine Möglichkeit geben, ihn aufzuhalten. Notfalls konnte man Leute vom Rabennest hinter ihm herschicken.
    Für Rücksichten und Erklärungen war keine Zeit mehr. Ich beschloß, wie der fleischgewordene Zorn Gottes aus dem Gesträuch herauszufahren und die Witwe zum Sprechen zu bringen. Allerdings waren meine Glieder vom Hocken und Knien ein wenig steif geworden. So kam ich nicht gleich auf die Beine. Plötzlich hörte ich Hundegebell.
    Ich sah auch die Witwe erschrecken. Sie riß sich den Schleier vom Kopf und spähte zum Waldrand hin. Mit einer unwillkürlichen Geste zog sie das Haar über ihr zerstörtes Gesicht. Dann zögerte sie nicht länger. Sie hob den Kessel von der Feuerstelle und warf ihn – hart an meiner Schulter vorbei – ins Gesträuch. Qualmend und stinkend lief der Sud aus. Frau Luitgard erstickte die Glut mit einem Erdklumpen und riß die Steine auseinander. Darauf bückte sie sich, warf die Schuhe in den Sack, raffte Schleier, Obergewand und Gürtel auf und stürzte davon. Torkelnd und mit den Armen rudernd, doch mit erstaunlicher Geschwindigkeit bewegte sie sich auf das Rabennest zu. Als ich endlich aus dem Gesträuch heraustrat, war sie schon hinter der Baumgruppe verschwunden.
    Im nächsten Augenblick sprangen auf der anderen Seite der Wiese drei Hunde aus dem Gebüsch hervor. Jetzt sah ich, daß sie einen Hasen verfolgten, der über die Wiese stürmte, einen Haken schlug und zurück in den Wald lief. Die Hunde blieben hinter ihm. Gleich darauf trat ein Mann heraus, den Bogen bereithaltend, in der Erwartung, daß ihm die Hunde den Hasen zutrieben. Es war einer der bärtigen Schrate aus der Gefolgschaft des Garibald.
    Er bemerkte mich und blickte erstaunt zu mir herüber. Ich hob grüßend die Hand. Da aber stürzte die Meute erneut aus dem Walde, immer noch hinter dem flüchtigen Langohr, und schon waren Hase, Hunde und Jäger wieder verschwunden.
    Auch ich hatte hier nichts mehr zu suchen. Mein Entschluß war gefaßt.

9
    D ie Sonne stand im Zenit, als ich noch immer unterwegs und fast am Ende meiner Kraft war. Von der Absicht, den Sohn des Grafen einzuholen und ein weiteres Blutbad zu verhindern, war kaum mehr als ein Fünkchen Hoffnung übrig.
    Zu meiner Verwunderung war es mir anfangs leicht gewesen, seiner Spur zu folgen. Die Meinrade mußte gleich mehrere Hähne gerupft haben – so viele Federn hatte sie in den Boden gesteckt, mal in ein Mooskissen, mal zwischen Wurzeln, mal wie ein Feldzeichen auf eine Ameisenburg. Zum Glück hatte Thankmar sie nicht entfernt. Alle dreißig, vierzig Schritte traf ich auf einen solchen Wegweiser, dazwischen konnte ich auch den Fußtapfen des jungen Mannes folgen. Es gab keine Schneise, keinen Weg, keinen Pfad, es ging quer durch den Wald, stellenweise durch dichtes Unterholz, wo sich die Feuchtigkeit hielt und der Fuß tief einsank.
    Ein weiterer Aufstieg war nicht nötig, den ich wohl auch kaum noch bewältigt hätte. Ich bewegte mich in der erreichten Höhe, jedoch auf welligem Gelände, sanfte Hänge hinab, dann wieder hinauf, so daß ich mal meinen Schritt beschleunigen konnte, dann wieder verlangsamen mußte. Ich schwitzte und keuchte auch jetzt, doch der Eifer trieb mich voran, und so empfand ich keine Müdigkeit. Vermutlich ging es mir wie den Jägern bei der Verfolgung des Wildes, die ja auch, wie ich so oft erzählen hörte, die Erschöpfung nicht bemerken, solange sie auf der Spur sind. Die Augen fest auf den Boden gerichtet, die Kutte mit beiden Händen raffend, stapfte ich vorwärts. Den Stock, den ich nicht mehr brauchte, hatte ich weggeworfen.
    Einige Male begegnete ich Menschen. Ein paar Holzfäller hatten den Thankmar vorbeieilen sehen und ihn für einen Jäger gehalten. Über das Ziel, zu dem er unterwegs war, konnten sie aber nichts sagen. Zwei alte Weiber, die Reisig sammelten, hatten zwar ihn nicht bemerkt, dafür jedoch am Tage vorher die Meinrade. Mit einem schweren Korb voller Eßvorräte sei sie beladen gewesen und einem Sack, dem sie die Federn entnahm, um sie in

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