Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Odo und Lupus 04 - Die Witwe

Titel: Odo und Lupus 04 - Die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
Und du bist schön.“
    „Ich war es vielleicht.“
    „Du bist es noch immer!“
    „Ich bin gezeichnet von den Spuren des Ordals {22} und der Mißhandlungen.“
    „Warum darf ich sie nicht sehen? Sie werden mir zeigen, wie du gelitten hast. Ich will es wissen. Ich werde dich dann noch mehr lieben!“
    „Nein! Du sollst nur das von mir sehen, was dein Auge erfreut. Alles andere wird dir verborgen bleiben. Du mußt mir versprechen, daß du mich nie überraschen wirst!“
    „Ich schwöre es, wenn du willst.“
    „Auch mich niemals zu zwingen …“
    „Dich zwingen! Ich werde dir dienen! Die Zeiten, da du genötigt, gequält und gedemütigt wurdest, werden Vergangenheit sein! Ich liebe dich. Nur für dich will ich leben.“
    „Vielleicht liebst du mich nur um meines Bruders willen.“
    „Ich gestehe, jetzt, da er tot ist, liebe ich dich doppelt so stark. Du erhältst nun auch seinen Anteil.“
    „Aber ich kann dir nicht so viel geben wie er.“
    „Er war mein Lehrmeister und mein Vorbild. Aber auch du bist meine Lehrmeisterin“, sagte der junge Mann zärtlich.
    „Zuerst dachte ich“, erwiderte sie heiter, „daß ich dich nur ein wenig vorbereiten würde … für das Brautbett mit einer anderen. Wie hätte ich noch einmal an ein eigenes denken dürfen?“
    Jetzt schwiegen sie abermals, und ich hörte die Geräusche von Küssen. Auch heftiges Atmen. Einer der Sträucher vor mir begann zu zittern, als ob kräftige Windstöße in ihn hineinfuhren. Ich hätte mich jetzt zurückziehen können, die Gelegenheit war günstig, weil mich das Paar in diesem Augenblick wohl kaum wahrgenommen hätte. Es ist auch nicht meine Art, mich am sündigen Treiben anderer zu ergötzen. Aber ich hatte da etwas gehört, das mich aufmerken ließ, und hoffte, noch mehr zu erfahren. Meine Stellung war allerdings äußerst unbequem, und so ließ ich mich vorsichtig auf ein Knie nieder.
    Plötzlich hörten das Atmen und das Zittern des Strauches auf, und die Luitgard sagte:
    „Genug! Du hast heute noch etwas anderes vor. Das hier macht träge. Du brauchst jetzt Willenskraft und Ausdauer.“
    „Aber wollen wir nicht noch einmal …“
    „Später. Wenn du auch heute die Nachricht bringst, die eine Belohnung verdient.“
    „Daran zweifle nicht!“
    „Du kennst den Weg?“
    „Meinrade hat ihn mir gründlich beschrieben. Und mit Zeichen markiert. Bunten Hahnenfedern.“
    „Und das Dummchen hat nichts dafür verlangt?“
    „Nichts. Doch, einen Kuß … einen flüchtigen. Und das Versprechen, meinen Vater und Garibald auszusöhnen. Das arme Ding glaubt, wir könnten nun doch noch heiraten.“
    „Das Versprechen hast du ihr natürlich gegeben.“
    „Ja. Aber ich dachte dabei an eine andere Heirat.“
    „Bist du fertig? Hast du alles? Den Dolch …“
    „Hier.“
    „Ich werde deinen Weg mit Zaubersprüchen begleiten. Sie wirken von fern, sie werden dich stärken. Sei vorsichtig! Und vergiß nicht, mir das verabredete Zeichen zu geben. Wenn alles gutgeht, bin ich vor Sonnenuntergang hier.“
    Nochmals hörte ich Küsse, dann sich rasch entfernende Schritte. Ich hob den Kopf etwas über die Sträucher und sah den Thankmar auf den Waldrand zugehen, nicht weit von der Stelle, wo ich herausgetreten war. Er trug Bogen und Köcher, wie ein Jäger. Rasch tauchte ich wieder unter – für den Fall, daß er sich noch einmal umsah. Ein paar Atemzüge später, als ich abermals den Kopf hob, war er verschwunden.
    Jetzt hätte ich aufspringen und ihm folgen müssen. Vielleicht war auch noch Zeit, ihn zurückzurufen. Ich hätte mit zorniger Miene aus meinem Versteck hervortreten können und dreist behaupten, die beiden aus Argwohn belauscht zu haben, weil ich schon vorher auf der Spur des geplanten Verbrechens war. Weshalb tat ich es nicht? Was hinderte mich? War es Vorsicht? Angst? Kleinmut? Sträfliches Zaudern? Nichts von alldem! Es war ein furchtbarer Schreck, der mir in die Glieder fuhr. So sehr, daß ich fast in Ohnmacht fiel.
    Die Frau Luitgard stand plötzlich auf. Zunächst sah ich ihren Kopf und ihre Schultern von hinten. Tief duckte ich mich unter die Blätter. Dann wandte sie sich um und blickte hinüber zum Rabennest. Die Sicht auf den schwarzen Felsen war teilweise durch eine Baumgruppe verdeckt, die sich am Rande der Wiese erhob. So konnte man wohl auch von der Felsenburg aus die Stelle, wo wir uns befanden, nicht beobachten.
    Jetzt, im hellen Licht des Tages, wirkte die Schönheit der edlen Frau noch vollkommener. Es war so,

Weitere Kostenlose Bücher