Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
bleiben
Und die Dienste zu tun, die mir ein Schaffner geböte.
Gehe denn. Dieser Mann wird mich nachführen, sobald ich
Mich am Feuer gewärmt und die Sonne höher gestiegen.
Diese Lumpen bedecken mich nur! Die Kälte des Morgens
Möchte mir schaden; ihr sagt ja, die Stadt sei ferne von hinnen.
Also sprach er. Telemachos ging aus der Pforte des Hofes,
Eilte mit hurtigen Füßen und sann auf der Freier Verderben.
Als er jetzo erreichte die schöngebauete Wohnung,
Stellt’ er die Lanze hin an eine ragende Säule,
Überschritt dann selber die steinerne Schwelle des Saales.
Ihn erblickte zuerst die Pflegerin Eurykleia,
Welche mit Fellen bedeckte die künstlich gebildeten Throne.
Weinend lief sie gerad auf ihn zu; es drängten sich um ihn
Auch die übrigen Mägde des leidengeübten Odysseus,
Hießen ihn froh willkommen und küßten ihm Schultern und Antlitz.
Jetzo ging aus der Kammer die kluge Penelopeia,
Artemis gleich an Gestalt und der goldenen Aphrodite,
Und mit Tränen schlang sie den lieben Sohn in die Arme,
Küßte sein Angesicht und beide glänzenden Augen
Und begann lautweind und sprach die geflügelten Worte:
Kommst du, Telemachos, kommst du, mein süßes Leben? Ich hoffte
Nimmer dich wiederzusehn, da du ohne mein Wissen und Wollen
Warst gen Pylos geschifft, den lieben Vater zu suchen!
Aber verkündige mir, was du auf der Reise gesehn hast!
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Mutter, erinnre mich nicht an meinen Kummer und reize
Nicht zur Klage mein Herz, da ich kaum dem Verderben entflohn bin,
Sondern bade dich erst und lege reine Gewand’ an.
Steig in das Obergemach, von deinen Mägden begleitet,
Und gelobe den Göttern, vollkommene Hekatomben
Darzubringen, wenn Zeus doch endlich Rache vergölte.
Aber ich selber will zum Markte gehen, den Fremdling
Einzuladen, der mir hieher aus der Fremde gefolgt ist.
Diesen sandt ich voran mit meinen edlen Gefährten
Und befahl Peiraios, ihn mit nach Hause zu nehmen
Und sorgfältig zu pflegen, bis ich heimkehrte vom Lande.
Also sprach er zu ihr und redete nicht in die Winde.
Jene badete sich und legte reine Gewand’ an
Und gelobte den Göttern, vollkommene Hekatomben
Darzubringen, wenn Zeus doch endlich Rache vergölte.
Aber Telemachos ging, mit seiner Lanze gerüstet,
Aus dem Palast; es begleiteten ihn schnellfüßige Hunde.
Siehe, mit himmlischer Anmut umstrahlt’ ihn Pallas Athene,
Daß die Völker alle dem kommenden Jünglinge staunten.
Um ihn versammelten sich die übermütigen Freier,
Die viel Gutes ihm sagten und Böses im Herzen gedachten.
Aber Telemachos mied der Heuchler dichtes Gedränge
Und ging hin zu Mentor und Antiphos und Halitherses,
Welche von Anbeginn des Vaters Freunde gewesen;
Setzte bei ihnen sich nieder, und diese fragten nach allem.
Ihnen nahte sich jetzo der lanzenberühmte Peiraios,
Welcher den Gast durch die Stadt zur Versammlung führte; und länger
Säumte Telemachos nicht, er eilte dem Fremdling entgegen.
Ihn ermahnte zuerst mit diesen Worten Peiraios:
Eile, Telemachos, Mägde nach meinem Hause zu senden,
Um die Geschenke zu holen, die dir Menelaos geschenkt hat.
Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:
Freund, wir wissen ja nicht, welch Ende die Sache gewinne!
Wenn mich in meinem Hause die übermütigen Freier
Heimlich ermorden und dann mein väterlich Erbe sich teilen,
Will ich doch lieber, daß du, als ein anderer, jenes besitze.
Wenn es mir aber gelingt, sie mit blutigem Tode zu strafen,
Siehe, dann magst du es fröhlich zum Hause des Fröhlichen bringen.
Sprach’s, und führte zu Hause den unglückseligen Fremdling.
Als sie jetzo erreichten die schöngebauete Wohnung,
Legten sie ihre Mäntel auf prächtige Sessel und Throne,
Gingen und badeten sich in schöngeglätteten Wannen.
Als die Mägde sie jetzo gebadet, mit Öle gesalbet
Und mit wollichtem Mantel und Leibrock hatten bekleidet,
Stiegen sie aus dem Bad und setzten sich nieder auf Sessel.
Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne
Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum Waschen
Ihnen die Händ’ und stellte vor sie die geglättete Tafel.
Und die ehrbare Schaffnerin kam und tischte das Brot auf
Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.
Gegenüber saß auf dem Ruhesessel die Mutter
An der Schwelle des Saals und drehte die zierliche Spindel.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der
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