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Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Homer
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geschmolzenem Schnee die Ströme den Ufern entschwellen:
    Also flossen ihr Tränen die schönen Wangen herunter,
    Da sie den nahen Gemahl beweinete. Aber Odysseus
    Fühlt’ im innersten Herzen den Gram der weinenden Gattin;
    Dennoch standen die Augen wie Horn ihm oder wie Eisen
    Unbewegt in den Wimpern; denn klüglich hemmt’ er die Träne.
    Und nachdem sie ihr Herz mit vielen Tränen erleichtert,
    Da begann sie von neuem und gab ihm dieses zur Antwort:
    Nun, ich muß dich doch ein wenig prüfen, o Fremdling,
    Ob du meinen Gemahl auch wirklich, wie du erzähltest,
    Samt den edlen Genossen in deinem Hause bewirtet.
    Sage mir denn, mit welcherlei Kleidern war er bekleidet
    Und wie sah er aus? Auch nenne mir seine Begleiter.
    Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
    Schwer, o Königin, ist es, nach seiner langen Entfernung
    Ihn so genau zu beschreiben; wir sind schon im zwanzigsten Jahre,
    Seit er von dannen zog aus meiner heimischen Insel.
    Dennoch will ich dir sagen, so viel mein Geist sich erinnert.
    Einen zottichten schönen gefütterten Mantel von Purpur
    Trug der edle Odysseus, mit einer zwiefachgeschlossnen
    Goldenen Spange daran und vorn gezieret mit Stickwerk.
    Zwischen den Vorderklauen des gierigblickenden Hundes
    Zappelt’ ein fleckichtes Rehchen; und alle sahn mit Bewundrung,
    Wie, aus Golde gebildet, der Hund an der Gurgel das Rehkalb
    Hielt und das ringende Reh zu entfliehn mit den Füßen sich sträubte.
    Unter dem Mantel bemerkt’ ich den wunderköstlichen Leibrock:
    Zart und weich wie die Schale von einer getrockneten Zwiebel
    War das feine Geweb und glänzendweiß wie die Sonne.
    Wahrlich, viele Weiber betrachteten ihn mit Entzücken.
    Eines sag ich dir noch, und du nimm solches zu Herzen!
    Sicher weiß ich es nicht, ob Odysseus die Kleider daheim trug,
    Oder ob sie ein Freund ihm mit zu Schiffe gegeben
    Oder irgendein Fremdling, der ihn bewirtet. Denn viele
    Waren Odysseus hold, ihm glichen wenig Achaier.
    Ich auch schenkt’ ihm ein ehernes Schwert, ein gefüttertes, schönes,
    Purpurfarbnes Gewand und einen passenden Leibrock
    Und entließ ihn mit Ehren zum schöngebordeten Schiffe.
    Endlich folgte dem Helden ein etwas älterer Herold
    Nach; auch dessen Gestalt will ich dir jetzo beschreiben.
    Bucklicht war er und schwarz sein Gesicht und lockicht sein Haupthaar,
    Und Eurybates hieß er; Odysseus schätzte vor allen
    Übrigen Freunden ihn hoch, denn er suchte sein Bestes mit Klugheit.
    Also sprach er; da hub sie noch heftiger an zu weinen,
    Als sie die Zeichen erkannte, die ihr Odysseus beschrieben.
    Und nachdem sie ihr Herz mit vielen Tränen erleichtert,
    Da begann sie von neuem und gab ihm dieses zur Antwort:
    Nun, du sollst mir, o Fremdling, so jammervoll du vorhin warst,
    Jetzo in meinem Haus auch Lieb und Ehre genießen!
    Denn ich selber gab ihm die Kleider, wovon du erzähltest,
    Wohlgefügt aus der Kammer, und setzte die goldene Spange
    Ihm zur Zierde daran. Doch niemals werd ich ihn wieder
    Hier im Hause begrüßen, wann er zur Heimat zurückkehrt!
    Zur unseligen Stund entschiffte mein trauter Odysseus,
    Troja zu sehn, die verwünschte, die keiner nennet ohn Abscheu!
    Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
    Du ehrwürdiges Weib des Laertiaden Odysseus,
    Schone der holden Gestalt und deines Lebens und jammre
    Um den Gemahl nicht länger! Zwar tadeln kann ich den Schmerz nicht;
    Denn es weint wohl jegliche Frau, die den Gatten verloren,
    Ihrer Jugend Gemahl, mit dem sie Kinder gezeugt hat.
    Und von Odysseus sagt man, er sei den Unsterblichen ähnlich.
    Aber mäßige dich und höre, was ich dir sage.
    Denn ich will dir die Wahrheit verkünden und nichts dir verhehlen,
    Was ich von deines Gemahls Zurückkunft hörte, der jetzo
    Nahe von hier im fetten Gebiet der thesprotischen Männer
    Lebt. Er kehret mit großem und köstlichem Gute zur Heimat,
    Das ihm die Völker geschenkt. Doch seine lieben Gefährten
    Und sein rüstiges Schiff verlor er im stürmenden Meere,
    Als er Thrinakiens Ufer verließ; denn es zürnten dem Helden
    Zeus und der Sonnengott, des Rinder die Seinen geschlachtet.
    Alle diese versanken im dunkelwogenden Meere.
    Aber er rettete sich auf den Kiel und trieb mit den Wellen
    An das glückliche Land der götternahen Phaiaken.
    Diese verehrten ihn herzlich, wie einen der seligen Götter,
    Schenkten ihm großes Gut und wollten ihn unbeschädigt
    Heim gen Ithaka bringen. Dann wäre vermutlich Odysseus
    Lange schon hier; allein ihm schien es ein besserer

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