Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
viel in diesen Inseln gebieten,
Same, Dulichion und der waldbewachsnen Zakynthos,
Und so viele hier in der sonnigen Ithaka wohnen:
Alle werben um mich mit Gewalt und zehren das Gut auf.
Darum kümmern mich Fremdling’ und Hilfeflehende wenig,
Selbst die Herolde nicht, des Volks geheiligte Diener,
Sondern ich härme mich ab um meinen trauten Odysseus.
Jene treiben die Hochzeit, und ich ersinne Verzögrung.
Erst gab diesen Gedanken ein Himmlischer mir in die Seele:
Trüglich zettelt ich mir in meiner Kammer ein feines,
Übergroßes Geweb und sprach zu der Freier Versammlung:
Jünglinge, die ihr mich liebt nach dem Tode des edlen Odysseus,
Dringt auf meine Vermählung nicht eher, bis ich den Mantel
Fertig gewirkt (damit nicht umsonst das Garn mir verderbe!),
Welcher dem Helden Laertes zum Leichengewande bestimmt ist,
Wann ihn die finstere Stunde mit Todesschlummer umschattet:
Daß nicht irgend im Lande mich eine Achaierin tadle,
Lag er uneingekleidet, der einst so vieles beherrschte.
Also sprach ich mit List und bewegte die Herzen der Edlen.
Und nun webt ich des Tages an meinem großen Gewande,
Aber des Nachts dann trennt ich es auf, beim Scheine der Fackeln.
Also täuschte ich sie drei Jahr’ und betrog die Achaier.
Als nun das vierte Jahr im Geleite der Horen herankam
Und mit dem wechselnden Mond viel Tage waren verschwunden,
Da verrieten mich Mägde, die Hündinnen sonder Empfindung,
Und mich trafen die Freier und schalten mit drohenden Worten.
Also mußt ich es nun, auch wider Willen, vollenden.
Aber ich kann nicht länger die Hochzeit meiden, noch weiß ich
Neuen Rat zu erfinden. Denn dringend ermahnen die Eltern
Mich zur Heirat, auch sieht es mein Sohn mit großem Verdruß an,
Wie man sein Gut verzehrt; denn er ist nun ein Mann, der sein Erbe
Selber zu schützen vermag und dem Zeus Ehre verleihet.
Aber sage mir doch, aus welchem Geschlechte du herstammst;
Denn du stammst nicht vom Felsen noch von der gefabelten Eiche.
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Du ehrwürdiges Weib des Laertiaden Odysseus,
Also hörst du nicht auf, nach meinem Stamme zu forschen?
Nun, so will ich’s dir sagen, wiewohl du mein bitteres Leiden
Mir noch bitterer machst; denn Schmerz empfindet doch jeder,
Welcher so lang als ich von seiner Heimat entfernt ist
Und, mit Jammer umringt, so viele Städte durchwandert.
Aber ich will dir doch, was du mich fragest, verkünden.
Kreta ist ein Land im dunkelwogenden Meere,
Fruchtbar und anmutsvoll und rings umflossen. Es wohnen
Dort unzählige Menschen, und ihrer Städte sind neunzig:
Völker von mancherlei Stamm und mancherlei Sprachen. Es wohnen
Dort Achaier, Kydonen und eingeborene Kreter,
Dorier, welche sich dreifach verteilet, und edle Pelasger.
Ihrer Könige Stadt ist Knossos, wo Minos geherrscht hat,
Der neunjährig mit Zeus, dem großen Gotte, geredet.
Dieser war des edelgesinnten Deukalion Vater,
Meines Vaters, der mich und den König Idomeneus zeugte.
Aber Idomeneus fuhr in schöngeschnäbelten Schiffen
Mit den Atreiden gen Troja, denn er ist älter und tapfrer:
Ich bin der jüngere Sohn, und mein rühmlicher Name ist Aithon.
Damals sah ich Odysseus und gab ihm Geschenke der Freundschaft.
Denn an Kretas Küste verschlug ihn die heftige Windsbraut,
Als er gen Ilion fuhr, und stürmt’ ihn hinweg von Maleia.
In des Amnisos gefährlicher Bucht entrann er dem Sturme
Kaum und ankerte dort bei der Grotte der Eileithya,
Ging dann gleich in die Stadt, um Idomeneus selber zu sehen;
Denn er nannt ihn seinen geliebten und teuersten Gastfreund.
Aber schon zehnmal ging die Sonn auf oder schon elfmal,
Seit Idomeneus war mit den Schiffen gen Troja gesegelt.
Und ich führte den werten Gast in unsere Wohnung.
Freundlich bewirtet ich ihn von des Hauses reichlichem Vorrat
Und versorgte sein Schiff und seine Reisegefährten
Reichlich, auf Kosten des Volks, mit Mehl und funkelndem Weine
Und mit gemästeten Rindern, daß ihre Seele sich labte.
Und zwölf Tage blieben bei uns die edlen Achaier;
Denn der gewaltige Nord, den ein zürnender Dämon gesendet,
Wütete, daß man kaum auf dem Lande zu stehn vermochte.
Am dreizehnten ruhte der Sturm, und sie schifften von dannen.
Also täuscht’ er die Gattin mit wahrheitgleicher Erdichtung.
Aber die horchende Gattin zerfloß in Tränen der Wehmut.
Wie der Schnee, den der West auf hohen Bergen gehäuft hat,
Vor dem schmelzenden Hauche des Morgenwindes herabfließt,
Daß von
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