Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Anschlag,
Noch durch mehrere Länder zu reisen und Güter zu sammeln,
So wie immer Odysseus vor allen Menschen auf Erden
Wußte, was Vorteil schafft; kein Sterblicher gleicht ihm an Weisheit.
Also sagte mir Pheidon, der edle thesprotische König.
Dieser beschwur es mir selbst und beim Trankopfer im Hause,
Segelfertig wäre das Schiff und bereit die Gefährten,
Um ihn heimzusenden in seiner Väter Gefilde.
Aber mich sandt er zuvor im Schiffe thesprotischer Männer,
Welches zum weizenreichen Gefilde Dulichions abfuhr.
Pheidon zeigte mir auch die gesammelten Güter Odysseus’.
Noch bis ins zehnte Glied sind seine Kinder versorget:
Solch ein unendlicher Schatz lag dort im Hause des Königs!
Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes
Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hören,
Wie er in Ithaka ihm, nach seiner langen Entfernung,
Heimzukehren beföhle, ob öffentlich oder verborgen.
Also lebt er noch frisch und gesund und kehret gewiß nun
Bald zurück; er irrt nicht lange mehr in der Fremde,
Von den Seinigen fern; und das beschwör ich dir heilig!
Zeus bezeuge mir das, der höchste und beste der Götter,
Und Odysseus’ heiliger Herd, zu welchem ich fliehe:
Daß dies alles gewiß geschehn wird, wie ich verkünde!
Selbst noch in diesem Jahre wird wiederkehren Odysseus,
Wann der jetzige Mond abnimmt und der folgende zunimmt!
Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Fremdling, erfülleten doch die Götter, was du geweissagt!
Dann erkenntest du bald an vielen und großen Geschenken
Deine Freundin, und jeder Begegnende priese dich selig!
Aber es ahndet mir schon im Geiste, wie es geschehn wird.
Weder Odysseus kehrt zur Heimat wieder, noch wirst du
Jemals weiter gebracht; denn hier sind keine Gebieter,
Welche, wie einst der Held Odysseus, da er noch lebte,
Edle Gäste mit Ehren bewirteten oder entließen.
Aber ihr Mägde, wascht ihm die Füß’ und bereitet sein Lager;
Bringet ein Bett und bedeckt es mit Mänteln und prächtigen Polstern,
Daß er in warmer Ruhe den goldenen Morgen erwarte.
Aber morgen sollt ihr ihn frühe baden und salben,
Daß er also geschmückt an Telemachos’ Seite das Frühmahl
Hier im Saale genieße. Doch reuen soll es den Freier,
Der ihn wieder so frech mißhandelt: nicht das geringste
Hab er hier ferner zu schaffen, und zürnt’ er noch so gewaltig!
Denn wie erkenntest du doch, o Fremdling, ob ich an Klugheit
Und verständigem Herzen vor andern Frauen geschmückt sei,
Ließ ich dich ungewaschen und schlechtbekleidet im Hause
Speisen? Es sind ja den Menschen nur wenige Tage beschieden.
Wer nun grausam denkt und grausame Handlungen ausübt,
Diesem wünschen alle, solang er lebet, nur Unglück,
Und noch selbst im Tode wird sein Gedächtnis verabscheut;
Aber wer edel denkt und edle Handlungen ausübt,
Dessen würdigen Ruhm verbreiten die Fremdlinge weithin
Unter die Menschen auf Erden, und jeder segnet den Guten.
Ihr antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:
Du ehrwürdiges Weib des Laertiaden Odysseus,
Ach, mir wurden Mäntel und weiche prächtige Polster
Ganz verhaßt, seitdem ich von Kretas schneeichten Bergen
Über die Wogen fuhr im langberuderten Schiffe!
Laß mich denn diese Nacht so ruhn, wie ich es gewohnt bin.
Viele schlaflose Nächte hab ich auf elendem Lager
Hingebracht und sehnlich den schönen Morgen erwartet.
Auch gebeut nicht diesen, mir meine Füße zu waschen;
Denn ich möchte nicht gern verstatten, daß eine der Mägde,
Die im Hause dir dienen, mir meine Füße berühre.
Wo du nicht etwa sonst eine alte verständige Frau hast,
Welche so vielen Kummer als ich im Leben erduldet;
Dieser wehr ich es nicht, mir meine Füße zu waschen.
Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia:
Lieber Gast! denn nie ist solch ein verständiger Fremdling,
Nie ein werterer Gast in meine Wohnung gekommen:
So verständig und klug ist alles, was du auch sagest!
Ja, ich hab eine alte und sehr vernünftige Frau hier,
Welche die Pflegerin war des unglückseligen Mannes
Und in die Arme ihn nahm, sobald ihn die Mutter geboren:
Diese wird, so schwach sie auch ist, die Füße dir waschen.
Auf denn, und wasche den Greis, du redliche Eurykleia!
Er ist gleichen Alters mit deinem Herrn. Vielleicht sind
Jetzt Odysseus’ Händ’ und Füße schon ebenso kraftlos.
Denn im Unglück altern die armen Sterblichen frühe.
Also sprach sie. Die Alte verbarg mit den Händen ihr Antlitz,
Heiße Tränen vergießend, und sprach
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