Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
nahte sich Zeus’ blauäugichte Tochter Athene,
Mentorn gleich in allem, sowohl an Gestalt wie an Stimme.
Freudig erblickte die Göttin der Held Odysseus und sagte:
Mentor, stehe mir bei und rette deinen Geliebten,
Der dir Gutes getan und gleichen Alters mit dir ist!
Also sprach er, Athene die Völkererhalterin ahndend.
Aber die Freier erhuben ein lautes Geschrei in dem Saale,
Und vor allen droht’ ihr Damastors Sohn Agelaos:
Mentor, lasse dich nicht durch Odysseus’ Worte verleiten,
Daß du jetzt mit den Freiern zu seiner Verteidigung kämpfest!
Denn wir geloben dir an, und ich meine, wir werden es halten:
Haben wir diese getötet, den Vater und Sohn, dann wollen
Wir mit ihnen auch dich umbringen, der du so mutig
Hier zu schalten gedenkst: mit dem Haupte sollst du es büßen!
Aber nachdem wir euch mit dem Erze des Geistes beraubet,
Wollen wir alle dein Gut, im Haus und außer dem Hause,
Alles, vermischt mit den Gütern Odysseus’, unter uns teilen!
Weder die Söhne sollen noch Töchter in dem Palaste
Leben, noch deine Gemahlin im Lande von Ithaka wohnen!
Also sprach er; da zürnte noch heftiger Pallas Athene.
Und sie strafte Odysseus mit diesen zürnenden Worten:
Hast du denn völlig den Mut und die Stärke verloren, Odysseus?
Du, der um Helena einst, die lilienarmichte Tochter
Zeus’, neun Jahre hindurch mit den Troern so tapfer gekämpft hat
Und so viele Männer getötet in schrecklicher Feldschlacht?
Siehe, durch deinen Rat sank Priamos’ türmende Feste!
Und nun, da du dein Land und Erbteil wieder erreicht hast,
Nun wehklagest du so im Streite gegen die Freier?
Auf, komm näher, mein Freund, steh hier und schaue mein Tun an,
Daß du erkennest, wie dir im Kampfe mit feindlichen Männern
Mentor, Alkimos’ Sohn, Wohltaten pflegt zu vergelten!
Also sprach sie; allein noch schenkte nicht völlig die Göttin
Ihm den wankenden Sieg; sie prüfte noch ferner die Stärke
Und den Mut Odysseus’ und seines rühmlichen Sohnes.
Plötzlich entschwand sie den Blicken, und gleich der Schwalbe von Ansehn
Flog sie empor und saß auf dem rußichten Simse des Rauchfangs.
Aber die Freier reizte Damastors Sohn Agelaos,
Demoptolemos und Amphimedon und der entschloßne
Polybos und Eurynomos an, und der edle Peisandros:
Diese waren die ersten und tapfersten unter den Freiern,
Aller welche noch lebten und ihre Seele verfochten;
Jene lagen getötet vom pfeileversendenden Bogen.
Und Agelaos begann und sprach zu der Freier Versammlung:
Freunde, gewiß bald ruhn die schrecklichen Hände des Mannes!
Schon verließ ihn Mentor, nachdem er vergebens geprahlet,
Und sie stehen allein an der großen Pforte des Saales!
Darum sendet nicht alle zugleich die langen Lanzen,
Sondern wohlan, ihr sechs werft erstlich, ob euch Kronion
Gnade verleiht, Odysseus zu treffen und Ruhm zu gewinnen!
Denn mit den andern hat es nicht Not, wenn jener nur daliegt.
Also sprach er. Da warfen sie alle, wie er befohlen,
Wütend, doch aller Würfe vereitelte Pallas Athene.
Einer durchbohrte die Pfoste der schöngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die festeinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgerüsteten Esche.
Und nachdem sie die Lanzen der Freier hatten vermieden,
Da begann zu ihnen der herrliche Dulder Odysseus:
Jetzo wär es an mir, ihr Lieben, euch zu befehlen,
Daß ihr die Schar der Freier mit scharfen Lanzen begrüßet,
Die zu dem vorigen Frevel uns noch zu ermorden gedenken.
Also sprach er; da warfen sie alle zielend die Lanzen.
Demoptolemos traf der göttergleiche Odysseus,
Und Euryades traf Telemachos, aber der Sauhirt
Elatos, und Peisandros der Oberhirte der Rinder:
Diese fielen zugleich und bissen die weite Erde.
Aber die Freier entflohn in den innersten Winkel des Saales;
Jene sprangen hinzu und zogen die Speer’ aus den Toten.
Und von neuem warfen die Freier schimmernde Lanzen,
Wütend, aber die meisten vereitelte Pallas Athene.
Einer durchbohrte die Pfoste der schöngebaueten Wohnung,
Jenes Lanze durchdrang die festeinfugende Pforte,
Jener traf in die Wand mit der erzgerüsteten Esche.
Nur Amphimedon streifte Telemachos’ Hand an dem Knöchel
Sanft, die obere Haut ward kaum von dem Erze verwundet.
Und Ktesippos ritzte Eumaios über dem Schilde
Leicht die Schulter; der Speer flog über und fiel auf die Erde.
Aber die Schar des tapfern erfindungsreichen Odysseus
Zielte von neuem und warf die Lanzen unter die Freier.
Und Eurydamos traf der Städteverwüster
Weitere Kostenlose Bücher