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Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Homer
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Homertext zuzugeben, ohne dass daraus gleich auf mehrfache Autorschaft geschlossen werden muss. Sie lassen sich vielmehr als Produkt der Einarbeitung des dem H. aus der Sängertradition in Fülle vorliegenden mündlichen Materials erklären. H. steht also an der Grenze zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der griechischen Kultur, wobei man heute davon ausgeht, dass er sich selbst bei der Abfassung seines Werks schon der Schrift bedient hat. Neuere Forschungen zur mykenisch-minoischen Kultur fügen sich insofern gut in dieses Gesamtbild, als sich jetzt nachweisen lässt, dass eine Reihe von sprachlichen Bezeichnungen, Namen und Gebrauchsgegenständen in H.s Werken auf diese Epoche zurückverweisen, in der seine Geschichten offenbar ihren Ursprung hatten.
    Über H.s Leben wissen wir nichts Genaues. Ein auf Ischia gefundener Becher, der auf 730–720 v.Chr. datiert wird, spielt mit seiner Inschrift witzig auf den Ilias 11, 632ff. beschriebenen Nestorbecher an und gibt so einen terminus ante quem . Ansonsten ist man weitgehend auf Rückschlüsse aus H.s Werk angewiesen. Seine Beschreibung der Adelswelt geschieht eindeutig aus der Innenperspektive, und H. stellt selbst die Sänger als hochgeachtete Mitglieder der Gesellschaft am Fürstenhof dar, so dass man ihn sich in gehobenen Verhältnissen lebend vorstellt. Die ionisch-äolische Kunstsprache, in der er schreibt, wie auch die antike Überlieferung lassen auf das ionische Kleinasien als Geburts- und Hauptwirkungsstätte H.s schließen. Sein Publikum ist offensichtlich der seit dem Zusammenbruch der Zeit um 1200 wieder regenerierte und erfolgreiche Adel, der gerne an große Familientraditionen anknüpft, die bis in die mykenische Zeit zurückreichen. Es zeigen sich aber in H.s Darstellung von Volksversammlungen wie in der Erwähnung international tätiger Kaufleute in der Odyssee auch bereits Reflexe veränderter politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse (Entstehung der Polis; Erstarken des Bürgertums). H.s Werk – der Ischiabecher, frühgriechische Lyrik und Vasendarstellungen belegen dies – wurde sehr schnell im ganzen griechischen Kulturraum populär, und spätestens ab dem 6. Jh. war er kanonisch für den schulischen Grammatikunterricht. Seine Wirkung auf die griechische Literatur und Kultur ist enorm. Im Grunde gibt es keinen griechischen Autor, der sich ohne Homerkenntnis wirklich verstehen ließe. Über die Jahrhunderte ist H. aber sehr unterschiedlich interpretiert worden. Die Bandbreite reicht von ganz äußerlicher, realistischer bis zu allegorischer Deutung.
    Die folgende Darstellung geht aus den eingangs genannten Gründen davon aus, dass Ilias und Odyssee jeweils als literarische Einheit zu interpretieren sind. Ob beide vom selben Autor stammen, ist eine Frage, die naturgemäß noch weniger endgültig beantwortbar ist. Dass Ilias und Odyssee in vielfacher Hinsicht sehr unterschiedlich sind, ist völlig unbestreitbar, dass sprachliche Differenzen auch einen gewissen Abstand der Abfassungszeit nahelegen, plausibel, dass die Odyssee die Ilias voraussetzt, durch neuere Forschungen bekräftigt. Die These, dass aus beiden Werken letztlich dieselbe Weltsicht und dieselbe Auffassung von Göttlichem und Menschlichem spricht und die Unterschiede aus dem durchaus verschiedenen Sujet und einer Zeitdifferenz, in der ein großer Dichter an sich selbst und seiner Kunst gearbeitet hat, zu erklären sind, lässt sich jedenfalls nicht wirklich widerlegen. Darum wird im Folgenden der antiken Überlieferung gemäß einfach von ›H.‹ gesprochen, ohne dass damit freilich die Autorenfrage als geklärt ausgegeben werden soll.
    Die Ilias ist nach allgemeiner Ansicht das älteste europäische Literaturwerk überhaupt, sie ist aber, so archaisch sie zunächst anmutet, ein äußerst komplexes, mit erzählerischer Raffinesse gestaltetes Werk, eben das Endprodukt einer langen, für uns nicht mehr greifbaren mündlichen Tradition. Und anders als man es einem gängigen Vorbegriff von ›Epik‹ gemäß erwarten würde, ist sie weder eine Darstellung unfehlbarer Helden noch eine Chronik der militärischen Leistungen bei der Eroberung Trojas ( Ílios’ ) durch die Griechen. H. gewinnt sein Thema vielmehr aus der Darstellung eines großen, aber problematischen Charakters, nämlich des Achill, und der Auswirkungen seines charakterbedingten Handelns auf Griechen und Troer, wobei der menschlichen Handlungsebene der große Plan des Zeus übergeordnet ist. Dies kommt

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