Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
gleich im Prooemium (1, 1–7) klar zum Ausdruck: »Den Zorn singe, Göttin, des Peleussohnes Achill,/den verfluchten, der zahllose Schmerzen den Achaiern bereitete/und viele starke Leben dem Hades vorwarf/von Heroen, diese selbst aber zur Beute machte den Hunden/und den Vögeln zum Festmahl, und es erfüllte sich des Zeus Wille,/seitdem zuerst auseinandertraten im Streit/der Atreussohn, der Herr der Männer, und der göttliche Achill.« Das Thema der Ilias ist also der aus der Auseinandersetzung mit dem Atreussohn Agamemnon erwachsende Zorn des Achill mit seinen tödlichen Folgen und dessen Einbettung in den Willen des Zeus. H. hält sich konsequent an seine eigene Ankündigung und entwickelt die gesamte, komplexe Struktur der Ilias aus dem im Prooemium dargelegten Konzept.
Zunächst wird in einem ersten Teil (Buch 1–2) die Exposition gegeben. Agamemnon nimmt Achill in ehrverletzender Weise sein ›Beutestück‹, das Mädchen Briseis, ab, so dass sich dieser, der beste Kämpfer der Griechen, mit seinen Leuten vom Kampf zurückzieht. Achills göttliche Mutter Thetis bittet daraufhin Zeus, ihrem Sohn Genugtuung widerfahren zu lassen, indem die Griechen in Bedrängnis geraten, womit die Götterhandlung gemäß dem Zeusplan einsetzt. Im zweiten Buch wird Agamemnon durch einen Trugtraum dazu veranlasst, ausgerechnet jetzt die militärische Entscheidung gegen die Troer zu suchen. Anschließend werden die sich gegenüberstehenden Heere der Griechen und Troer beschrieben, der Blick also auf die für die Gemeinschaft der Griechen zu erwartenden Folgen des im Grunde persönlichen Konflikts zwischen Achill und Agamemnon gewendet. Nun müssen die (vor allem militärischen) Konsequenzen aus der entstandenen komplizierten Situation dargestellt werden. Eigentlich wäre hierfür ein Vergleich zwischen einem Kampf mit und einem ohne Beteiligung Achills notwendig, was aber, da Achill ja bereits abseitssteht, nur durch eine wenig effektvolle Rückblende geschehen könnte. H. löst das Problem elegant, indem er zugleich der Handlung auf der göttlichen Ebene größeres Gewicht gibt. Er stellt nämlich zunächst in einem zweiten Teil (Buch 3–7) einen ausgeglichenen Kampf zwischen Griechen und Troern dar, wobei Achills Nichtteilnahme kompensiert ist durch das Übergewicht der die Griechen unterstützenden Götter gegenüber den trojafreundlichen. Im dritten, zentralen Teil (Buch 8–17) hindert Zeus jedoch, Thetis’ Bitte entsprechend, die Götter am Eingreifen, so dass die Kampfenthaltung Achills volle Wirkung entfaltet und die Troer zu immer größeren Erfolgen kommen. Diese Katastrophe in Etappen führt in Buch 16 dazu, dass die Troer ein Schiff der Griechen in Brand zu setzen vermögen. Selbst das kann Achill jedoch nur dazu bewegen, seinen Freund Patroklos in den Kampf zurückkehren zu lassen. Dieser greift in Achills Rüstung ein, wird aber nach gewissen Erfolgen von Hektor getötet. In Buch 17 vermögen die Griechen dann nicht einmal zu verhindern, dass Hektor dem Patroklos die Rüstung raubt. Damit ist für die Griechen der militärische Tiefpunkt und für Achill der Umschlagspunkt seines Zorns erreicht.
Im vierten Teil (Buch 18–22) folgt dementsprechend die Wende zugunsten der Griechen. Achills Zorn richtet sich jetzt nicht mehr gegen Agamemnon und die Griechen, sondern gegen die Troer, vor allem gegen Hektor, der ihm den besten Freund erschlagen hat. Thetis lässt Hephaist für ihren Sohn eine neue Rüstung mit kunstvoll gearbeitetem Schild herstellen, der Streit zwischen Achill und Agamemnon wird beigelegt. Zugleich greifen jetzt auch die Götter wieder ein, was in der »Götterschlacht« in Buch 21 gipfelt. Die Präponderanz der griechenfreundlichen Götter und die durch seinen Zorn nur gesteigerte Kampfkraft Achills bewirken einen völligen Umschwung, der freilich nicht zur Katastrophe für die Troer führen müsste, wenn Hektor bei seiner früheren Vorsicht bliebe. Hektor hatte nämlich zuvor eine direkte Konfrontation mit Achill aus gutem Grund stets vermieden. Jetzt zeigt sich jedoch eine weitere raffinierte Folge des Zeusplans. Dadurch, dass die Griechen so sehr in Bedrängnis geraten sind, ist nicht nur Achill Genugtuung widerfahren, zugleich ist Hektor durch die Erfolge in Selbstüberschätzung verfallen und wagt deshalb, den offenen Kampf auch nach Achills Wiedereintritt in den Kampf fortzusetzen, was zur verlustreichsten Niederlage der Troer und Hektors Tod im Zweikampf mit Achill führt. Gerade dass die
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