Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
bewahren,
Und ging selber mit zwölf der Tapfersten, die ich mir auskor,
Einen ziegenledernen Schlauch auf der Achsel, voll schwarzen
Süßen Weines, den mir einst Maron, der Sohn Euanthes’,
Schenkte, der Priester Apollons, der über Ismaros waltet.
Diesen verschoneten wir, und seine Kinder und Gattin,
Ehrfurchtsvoll; denn er wohnete dort in Phöbos Apollons
Heiligem Schattenhain. Drum schenkt’ er mir köstliche Gaben:
Schenkte mir sieben Talente des schöngebildeten Goldes,
Schenkte mir einen Kelch von lauterem Silber, und endlich
Schöpft’ er mir dieses Weines in zwölf gehenkelte Krüge,
Süß und unverfälscht, ein Göttergetränk! Auch wußte
Keiner der Knecht’ im Hause darum und keine der Mägde;
Nur er selbst und sein Weib und die einzige Schaffnerin wußten’s.
Gab er ihn preis, dann füllt’ er des süßen funkelnden Weines
Einen Becher und goß ihn in zwanzig Becher voll Wasser.
Und den schäumenden Kelch umhauchten balsamische Düfte,
Göttlicher Kraft. Da war es gewiß nicht Freude zu dursten!
Hiermit füllt’ ich den großen Schlauch, den Ranzen mit Speise;
Denn mir ahndete schon im Heldengeiste, wir würden
Einen Mann besuchen, mit großer Stärke gerüstet,
Grausam und ungerecht und durch keine Gesetze gebändigt.
Eilig wanderten wir zur Höhl und fanden den Riesen
Nicht daheim; er weidete schon auf der Weide die Herden.
Und wir gingen hinein und besahen wundernd die Höhle.
Alle Körbe strotzten von Käse; Lämmer und Zicklein
Drängeten sich in den Ställen, und jede waren besonders
Eingesperrt: die Frühling’ allein, allein auch die Mittlern,
Und die zarten Spätling’ allein. Es schwammen in Molken
Alle Gefäße, die Wannen und Eimer, worinnen er melkte.
Anfangs baten mich zwar die Freunde mit dringenden Worten,
Nur von den Käsen zu nehmen und wegzuschleichen; dann wieder,
Hurtig zu unserm Schiff aus den Ställen die Lämmer und Zicklein
Wegzutreiben und über die salzigen Fluten zu steuern.
Aber ich hörete nicht (ach, besser hätt ich gehöret!),
Um ihn selber zu sehn und seiner Bewirtung zu harren:
Ach, für meine Gefährten ein unerfreulicher Anblick!
Und wir zündeten Feuer und opferten, nahmen dann selber
Von den Käsen und aßen und setzten uns voller Erwartung,
Bis er kam mit der Herd. Er trug eine mächtige Ladung
Trockenes Scheiterholz, das er zum Mahle gespaltet.
Und in der Höhle stürzt’ er es hin: da krachte der Felsen,
Und wir erschraken und flohn in den innersten Winkel der Höhle.
Aber er trieb in die Kluft die fetten Ziegen und Schafe
Alle zur Melke herein; die Widder und bärtigen Böcke
Ließ er draußen zurück, im hochummaurten Gehege.
Hochauf schwenkt’ er und setzte das große Spund vor den Eingang,
Fürchterlich groß! Die Gespanne von zweiundzwanzig starken
Und vierrädrigen Wagen, sie schleppten ihn nicht von der Stelle,
Jenen gewaltigen Fels, den das Ungeheuer emporhub.
Jetzo saß er und melkte die Schaf und meckernden Ziegen
Nach der Ordnung und legte den Müttern die Säugling’ ans Euter;
Ließ von der weißen Milch die Hälfte gerinnen und setzte
Sie zum Trocknen hinweg in dichtgeflochtenen Körben;
Und die andere Hälfte verwahrt’ er in weiten Gefäßen,
Daß er beim Abendschmause den Durst mit dem Tranke sich löschte.
Und nachdem er seine Geschäft’ in Eile verrichtet,
Zündet’ er Feuer an und sah uns stehen und fragte:
Fremdlinge, sagt, wer seid ihr? Von wannen trägt euch die Woge?
Habt ihr wo ein Gewerb, oder schweift ihr ohne Bestimmung
Hin und her auf der See, wie küstenumirrende Räuber,
Die ihr Leben verachten, um fremden Völkern zu schaden?
Also sprach der Kyklop. Uns brach das Herz vor Entsetzen
Über das rauhe Gebrüll und das scheußliche Ungeheuer.
Dennoch ermannt’ ich mich und gab ihm dieses zur Antwort:
Griechen sind wir und kommen von Trojas fernem Gestade,
Über das große Meer von mancherlei Stürmen geschleudert,
Als wir ins Vaterland hinsteuerten: andere Fahrten,
Andere Bahnen verhängt’ uns Kronions waltende Vorsicht!
Siehe, wir preisen uns Völker von Atreus’ Sohn Agamemnon,
Welchen der größte Ruhm itzt unter dem Himmel verherrlicht,
Weil er die mächtige Stadt und so viele Völker vertilgt hat!
Jetzo fallen wir dir zu Füßen und flehen in Demut:
Reich uns eine geringe Bewirtung oder ein andres
Kleines Geschenk, wie man gewöhnlich den Fremdlingen anbeut!
Scheue doch, Bester, die Götter! Wir Armen flehn dir um Hilfe!
Und ein Rächer
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