Ödland - Thriller
Spionen herumschlagen. Er delegierte die ganze Sache an die Militärs, und so kam es, dass Abou, Salah und zwei weitere junge Freiwillige die beiden Spione festnahmen.
Abou hätte in seinem Sonderurlaub natürlich nach Ouaga fahren und seine Eltern besuchen können - Salah hat insgeheim schon damit gerechnet und sich auf einen Tag in der Hauptstadt gefreut -, doch er entscheidet sich anders.
»Ich möchte meine Großmutter in Ouahigouya besuchen.«
»Schon wieder?« Salah ist empört. »Du warst doch erst vor vierzehn Tagen da. In Ouahigouya ist absolut tote Hose - kein großer Unterschied zu hier.«
»Du brauchst ja nicht mitzukommen. Bei mir ist es etwas anderes. Ich muss hin.«
»Warum? Ist sie krank?«
»Nein, nein. Aber das verstehst du nicht.«
Wenn Abou ganz ehrlich ist, versteht er den ungeheuer drängenden Wunsch, Hadé zu besuchen, selbst nicht so recht. Es ist mehr als einfach nur die Lust, sie zu sehen, und es ist auch mehr als die Erfüllung seiner Pflicht als Enkel ... fast kommt es ihm vor, als habe sie ihn gerufen. Nicht mit Worten und auch nicht im Traum. Es kommt ihm vor wie ein Körpergefühl, wie etwas in seinem Bauch. Und ohne zu verstehen, warum, weiß er genau, dass dieses ziehende Gefühl ihm befiehlt, seine Großmutter zu besuchen.
Etwas widerwillig beschließt Salah dennoch, ihn zu begleiten. Nach heftigem Feilschen gelingt es ihnen, Félicités Motorroller auszuleihen. Félicité ist die Tochter des Bürgermeisters, die Abou kennt und mit der er manchmal ein wenig flirtet. Sie füllen den Tank bis zum Rand mit Ethanol und düsen ab in Richtung Ouahigouya.
Es ist fast 50 Grad heiß. Stellenweise zerläuft der Asphalt. Der Harmattan färbt den Himmel gelb und fegt Sandspiralen über die Straße. Die wenigen Autos und Lkws, denen sie begegnen, bespucken sie mit Rauch und Staub. Die Köpfe in ein Tuch gehüllt, schwitzend und mit verzerrten Gesichtern, fahren sie hartnäckig weiter. Die Savanne zu beiden Seiten der Straße ist verbrannt, die Felder sind nur noch aufgeplatzte Ödflächen. Langsam und unausweichlich übernimmt der Sand die Herrschaft über alles. Die trockene Hitze und der mineralische Geruch der Wüste sind schon allgegenwärtig; Dünen kann man von hier aus zwar noch nicht sehen, doch sie dringen unerbittlich und unaufhaltsam nach Süden vor.
Ohne ihre Fahrt zu verlangsamen, durchqueren sie Tikaré, dessen früher so üppiger Markt sich heute auf ein paar kümmerliche Auslagen beschränkt, zwischen denen dürre Zombies umherschleichen. Sie hoffen darauf, in Kassouka Wasser zu bekommen, doch sie finden nur noch ein totes, verlassenes Dorf vor, das langsam unter Sand und Staub zerbröckelt. In Séguénéga schließlich erhalten sie Wasser zu einem sündhaften Preis; dort ist gerade ein Tankwagen vorgefahren. Der Wettlauf um das Wasser droht in einen Aufruhr zu münden, den das Auftauchen zweier uniformierter Soldaten zumindest für eine Weile in Schach halten kann. Und weiter geht es in Richtung Ouahigouya. Sie umfahren Autowracks und bemühen sich, die mehr oder weniger verwesten menschlichen Leichen und Tierkadaver am Straßenrand zu ignorieren. Geier und Hyänen, die sich um ihr schauerliches Mahl streiten, ziehen sich beim Herannahen des Rollers missmutig zurück. In regelmäßigen Abständen begegnen ihnen alte Traktoren mit Anhängern, Eselskarren, Handwagen und Menschen, die sich mit großen Taschen, Matratzen, Geschirr und Bündeln abschleppen. Sie alle wollen nach Kongoussi, wohin sie die Mär von demnächst üppig sprudelndem Wasser lockt.
Die Stadt Ouahigouya erinnert ein wenig an Kongoussi, wirkt aber verelendeter, weil sie größer ist. Überall riecht es nach Tod und Verwesung, Geier drehen ihre Kreise im gelben Himmel, die Geschäfte sind geschlossen, die Straßen menschenleer. Zerstörte Kaufhäuser und verbrannte Gebäude zeugen von Aufruhr und Plünderungen.
Mit sicherer Hand lenkt Abou den Motorroller zum Besitz von Hadé, der sich von seiner Umgebung durch einen immer noch grünen Tamarindenbaum unterscheidet. Unter diesem Baum sitzt Hadé im Kreis ihrer Patienten auf einer Bank und waltet ihres Amtes. Sie berührt, tastet ab, fragt und verschreibt ihre Medikamente. Als der Roller in einer Staubwolke zum Stehen kommt, steht sie auf, um ihren Enkel und seinen Freund zu begrüßen. Inzwischen übernimmt Magéné die Behandlung der Patienten.
»Sei gegrüßt, mein Sohn. Ich habe dich erwartet.«
Abou nimmt sein Kopftuch ab und gibt seiner
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