Ödland - Thriller
Sauerstoff entsteht, der mit den Stickstoffoxiden aus den Ballungsgebieten und der starken UV-Strahlung reagiert. Und jetzt kommt auch noch die Malaria hinzu ... Viel Glück, Jungs, denkt Rudy und grübelt über die Arbeiter in den neuen »sauberen« Raffinerien nach. Wahrscheinlich handelt es sich um Einwanderer aus dem Maghreb oder um Albanier. Albanier werden im Augenblick als die billigsten Arbeitskräfte gehandelt. Sie arbeiten auch dann noch, wenn ihre Bronchien vom Ozon verschmort sind und ihr Blut vor Malariaerregern nur so wimmelt, weil sie ihre Schulden bei der Mafia abzahlen müssen, die sie nach Frankreich eingeschmuggelt hat. Aber vielleicht schinden sich in den Raffinerien auch von der Agentur Arbeit entsandte Ökoflüchtlinge - es wäre genau die Art Job, die bei diesen Seelenverkäufern vermittelt wird.
»Woran denkst du?«, fragt Laurie.
»Dass ich durchaus in einer dieser Wasserstoff-Fabriken hätte landen können.«
Laurie betrachtet die Dôme aus Licht und Stahl, die sich im schwarzen Wasser des Sees spiegeln und unter dem milchigen Mondlicht geradezu märchenhaft wirken.
»Hätte dir das Spaß gemacht?«
»Nein. Ich ziehe es bei Weitem vor, hier zu sitzen und dorthin zu fahren, wohin unsere Reise geht.«
»Hast du eine Ahnung, wie es dort ist, wo wir hinfahren?«, murmelt Laurie. »Ich jedenfalls nicht.«
Eine Stunde vor Abfahrt der Fähre nach Algier erreichen sie den Hafen von Marseille. SOS hat ihre Überfahrt und den Transport des Lkw reserviert - würden sie die Fähre verpassen, müssten sie die Überfahrt aus eigener Tasche bezahlen. Der Hafen von Marseille ist sehr groß, und sie müssen eine Weile nach dem richtigen Verladesteg suchen. Als sie ihn finden, wartet vor ihnen eine schier endlose Fahrzeugschlange an der Zollabfertigung. Laurie fängt an, nervös zu werden. Sicher würden sie das Schiff verpassen! Glücklicherweise jedoch entdeckt Rudy eine eigene, dem Schwerlastverkehr vorbehaltene Spur, wo nur drei Lkws warten.
Endlich kommen sie an die Reihe. Bis zur Abfahrt der Fähre sind es nur noch zehn Minuten. Laurie kaut hektisch auf ihren Fingernägeln herum. Angesichts der bewegten Vergangenheit von Rudy wird man sie bestimmt anhalten, filzen und verhören. Mit Sicherheit wird ihnen die Fähre vor der Nase wegfahren!
Doch sie bekommen die Zollbeamten nicht einmal zu Gesicht. Per Funk wird Rudy aufgefordert, die Identifikations-CD des Lastwagens in das Bordlesegerät zu stecken, den Knopf »Senden« zu drücken und den Mercedes dann langsam unter der Scannerbrücke hindurchzufahren. Vielen Dank und gute Reise.
»War das etwa alles?«, wundert sich Laurie fast ein bisschen enttäuscht.
»Ja, was dachtest du denn? Dass sie den ganzen Krempel ausladen?«
»Das vielleicht nicht, aber dass sie wenigstens einmal kurz hinten reingucken oder sich unsere Pässe zeigen lassen. Wenn es so einfach ist, hätten wir schließlich auch eine Waffe für die Fahrt durch die Kabylei mitnehmen können, oder?«
»Jetzt bist du aber naiv!«
»Kann schon sein.«
»Immerhin sind wir unter einem Scanner hindurchgefahren. Der Scanner vergleicht die Daten von der CD mit dem tatsächlichen Inhalt des Autos. Hätte auch nur ein einziges Päckchen nicht den Angaben entsprochen, hätten die Zöllner es sofort herausbekommen und uns auf den nächsten Parkplatz gelotst. Ich finde dieses Vorgehen schnell und praktisch. Wenn sich allerdings auch nur die kleinste Unregelmäßigkeit einschleicht, dürfte es kompliziert werden. Ich glaube, das System duldet keinen menschlichen Irrtum.«
»Menschlicher Irrtum. Das ist das richtige Wort!«, entfährt es Laurie. Sie prustet.
»Was?«
»Na ja, im Grunde dürfte man nicht von der menschlichen Rasse reden. Menschlicher Irrtum wäre viel besser. Im Sinne der Evolution sind wir doch wirklich ein Missgriff.«
»Und ich dachte immer, dass Leute in humanitären Diensten voll von inniger Nächstenliebe wären!«
»Ich bemühe mich nur, das Überhandnehmen des Chaos zu verdrängen, um mir ein bisschen Luft zum Atmen zu verschaffen. Trotzdem wird es vermutlich so sein, dass das Chaos den Sieg über uns davonträgt.«
Inzwischen sind sie an der Reihe, die Rampe hinaufzufahren und den Lkw mithilfe von Matrosen in fluoreszierenden Kombis und mit Leuchtstäben in den Händen im Bauch der Fähre zu verstauen. Sie sind die Letzten. Hinter ihnen wird die Rampe hochgezogen. Mit metallischem Kreischen schließen sich die schweren Türen. Trotz der versierten Anleitung hat
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