Ödland - Thriller
Rudy Probleme mit dem Auto. Der Mercedes ist riesig, die Durchfahrten aber schmal und der Rangierraum sehr eng. Nach einem etwas unglücklichen Manöver bleibt der Lkw an der Rampe zum oberen Parkdeck stecken. Der Matrose vor ihnen fuchtelt verzweifelt mit seinen Leuchtstäben, stampft mit den Füßen auf und flucht. Schließlich springt er auf die Fußraste an der Fahrerseite und klopft an die Scheibe. Rudy öffnet kleinlaut.
»Wo hast du bloß deinen Führerschein gemacht, du Arschloch? Raus mit dir, Penner. Lass mich den Schrotthaufen einparken.«
Hilfe suchend wendet sich Rudy an Laurie, denn der Matrose hat ihn auf Französisch angebrüllt.
»Er möchte den Lkw selbst einparken«, fasst sie grinsend zusammen.
»Okay. Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagt Rudy auf Französisch zu dem Matrosen.
»Nun los, Mann! Bewegung! Wir müssten längst unterwegs sein.«
Rudy versteht, dass die Zeit drängt, und greift nach seiner Tasche. Laurie und er steigen aus. Der Matrose springt ins Führerhaus, lässt den Motor aufjaulen, wirft krachend die Gänge ein, vollführt die unmöglichsten Manöver, bugsiert den Laster vorwärts und wieder zurück, schlägt das Lenkrad ein, lässt es zurückschnellen, schlägt wieder ein, stößt irgendwo an, schrammt vorbei, nimmt mit dem Aufleger einen Pfeiler mit, drückt einen anderen ein, schafft die Kurve schließlich mit purer Gewalt und jagt den Mercedes mit höchster Motorendrehzahl die Rampe hoch. Das Ganze dauert nicht einmal eine Minute. Wie gebannt sieht Rudy zu. Auf dem oberen Parkdeck wiederholt sich der gleiche Lärm - quietschende Reifen, kreischende Bremsen, metallisches Scheppern, das Aufheulen des Motors. Rudy hat nicht den Mut, hinaufzugehen und nachzusehen. Er wagt kaum, sich den Zustand des Lkw vorzustellen. Im Augenblick hat er ohnehin einfach genug. Er ist todmüde. Seit Straßburg hat er ohne größere Pausen am Steuer gesessen, und die Fahrt durch den Sturm war ungeheuer anstrengend. Jetzt sehnt er sich nur noch danach, sich endlich auf einem Bett ausstrecken zu dürfen.
Erschöpft machen sich Laurie und Rudy auf den Weg zu den Passagierdecks. Unterwegs finden sie eine Cafeteria, wo sie ohne große Begeisterung einen kleinen Imbiss zu sich nehmen, ehe sie ihre Kabine aufsuchen. Ja, ihre Kabine: SOS hat nur eine einzige, sehr kleine und ziemlich beengte Kabine mit zwei Etagenbetten für sie gebucht.
»Scheiße!«, seufzt Laurie. »Und dabei hatte ich von einer schönen, heißen Dusche und einem bequemen Bett geträumt! Wo willst du schlafen?«
»Egal! Oben. Gute Nacht.«
Rudy klettert auf die obere Pritsche, legt sich hin und schläft sofort ein. Er nimmt sich nicht einmal mehr die Zeit, sich auszuziehen. Laurie seufzt erneut, dieses Mal jedoch vor Erleichterung. Ihre Befürchtung, dass die allzu große Nähe Probleme mit sich bringen könnte, hat sich in Morpheus' Armen erledigt. Ganz allmählich wagt sie zu glauben, dass sie von Rudy tatsächlich nichts zu befürchten hat.
Bei Tagesanbruch weckt sie ihn. Sie rüttelt ihn an der Schulter und ruft leise seinen Namen. Grummelnd öffnet er die schlafverklebten Augen.
»Steh auf! Das musst du dir unbedingt ansehen. Etwas ganz Besonderes!«
»Was denn?«
»Du musst nach draußen mitkommen.«
»Nach draußen?«
Laurie quengelt so lange, bis Rudy schließlich widerstrebend die Füße auf die Leiter setzt, schwerfällig hinabsteigt und Laurie begleitet. An Deck stützt er sich auf die Reling und reibt sich verblüfft die Augen.
Das Meer ist bis zum Horizont mit winzigen Lichtpunkten übersät.
Rote Lasertupfen wiegen sich in einer langen Reihe im Abstand von etwa fünfzig Metern lässig auf der Dünung und verlieren sich in der Ferne im Indigo des heraufdämmernden Morgens. Soeben hat die Fähre die Lichtlinie überquert, und die nächstgelegenen Lichtpunkte tanzen auf der Heckwelle.
»Was ist das?«, fragt Rudy bass erstaunt.
»Der Limes. Die Grenze zwischen dem Norden und dem Süden.« Laurie lächelt und öffnet die Arme wie zu einem Gruß. »Willkommen bei den armen Leuten dieser Erde.«
Straßensperre
Das, was vergangen ist, ist vorbei. Das, was du erhoffst, ist weit fort. Doch die Gegenwart gehört dir.
Arabisches Sprichwort
Die Schwierigkeiten beginnen beim Verlassen von Algier am Autobahnkreuz von Birkhadem. Zwei Reihen Rauch spuckender Autos und Lastwagen - die meisten Fahrzeuge werden hier noch mit Autogas aus den letzten fördernden Ölquellen in Hassi R'Mel und Hassi Messaoud
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