Ödland - Thriller
sich noch keine Hilfsorganisation unserer Nöte angenommen«, fügt die Frau hinzu.
Lauries Lächeln erlischt.
»Das tut mir wirklich leid für Sie...«
»Uns auch«, gibt der Rebellenchef zurück. »Nicht wahr, Zaounia? Uns tut es ebenfalls leid.«
»Wirklich sehr, Nazir. Aber unser Fall erfordert gewisse Opfer.«
»Was sind schon ein paar Bohrgeräte im Vergleich zum Überleben eines ganzen Volkes?«
Laurie lächelt nicht mehr. Allmählich ahnt sie, worauf die beiden hinauswollen.
»Warten Sie«, wendet sie nervös ein. »In Burkina sterben die Leute vor Durst. Die Ausrüstung wird dringend benötigt. Sie hingegen leiden nicht an Wassermangel. Sehen Sie, es regnet sogar.«
»Du hast uns nicht richtig verstanden, Kleine«, entgegnet Zaounia geduldig. »Burkina Faso ist ein souveräner Staat, der jede Hilfe bekommt, wenn er sie braucht. Wir hingegen sind ein unterdrücktes Volk, das um seine Freiheit und sein Überleben kämpft und von niemandem Hilfe erwarten kann.«
»Wir nehmen nur die Ladung«, erklärt Nazir. »Sie dürfen mit dem Lkw weiterfahren.«
»Und mit unserem Segen«, fügt Zaounia liebenswürdig hinzu.
Während des Wortwechsels sind andere Rebellen hinzugekommen. Mittlerweile umstehen ungefähr zehn Leute Laurie und Rudy und blockieren sie. Dabei lächeln sie freundlich und geben sich ungeheuer lässig, doch ihre Waffen sind sehr real, und sie sind geladen. Einer der Männer versucht, ins Führerhaus zu steigen, wird aber von Nazir in kurz angebundenem Ton daran gehindert.
»Was geht da vor?« Rudy registriert die Menschenansammlung rings um sie herum und wird unruhig.
»Sie wollen uns die Ausrüstung klauen«, erwidert Laurie auf Englisch. Ihre Gesichtszüge wirken vor Angst verkrampft.
»Scheiße! Das können wir doch nicht zulassen.«
»Aber wie sollen wir sie daran hindern?«
Mittlerweile ist in der Gruppe eine lebhafte Diskussion entbrannt, in der es offenbar um den Mercedes geht, auf den immer wieder gezeigt wird. Rudy bereut längst, dass er die Gelegenheit nicht beim Schopf ergriffen hat, als sie mit der Frau noch allein waren. Wahrscheinlich hätten sie sich zwar einigen Repressalien ausgesetzt, aber sie wären diesem Wespennest zumindest entkommen.
Die Diskussion verebbt, als Nazirs Satellitentelefon klingelt. Er nimmt es von seinem Gürtel ab, lauscht - und erbleicht. Hastig beginnt er, seinen Leuten Befehle zu erteilen. Sofort strömt die Gruppe auseinander, springt in ihre Geländewagen, lässt die Motoren aufheulen, wendet halsbrecherisch am Abgrund und braust in einer Staubwolke Richtung Médéa davon.
Wie vom Donner gerührt blickt Laurie ihnen nach. »Was ist denn in die gefahren?«
»Horch mal«, sagt Rudy und hebt einen Finger zum Himmel.
Ein Grollen ist am Ende des Tals zu hören. Schnell wird es zu einem ausgewachsenen, vom Echo noch verstärkten Getöse. Zwei schwarze Jagdbomber tauchen auf, berühren mit den Tragflächen beinahe die Felswände, schnellen mit einem ungeheuren Lärmpegel durch die Schlucht, schießen jeweils eine Rakete ab, die wie ein pfeifender Feuerstrich durch die Luft zischt, und verschwinden mit einem Looping in den wolkenverhangenen Himmel. Und dann explodiert das Tal.
Die Erde bebt. Eine ohrenbetäubende, doppelte Detonation zerreißt die Luft, und ein riesiger Rauchpilz steigt über den Bäumen auf. Laurie und Rudy haben sich instinktiv auf den Boden geworfen und vergraben ihre Köpfe unter den Armen. Als die Rauchwolke sie erreicht, regnen Erde und Pflanzenteile auf sie herab.
Auf die Düsenjäger folgen drei wuchtige, mit Artillerie bestückte Hubschrauber, die mit ihren Rotoren die neuerliche Totenstille des Tals zerhacken. Wieder bricht weiter oben zwischen den Bäumen, außerhalb von Lauries und Rudys Blickfeld, ein wahrer Höllenlärm los. Es sind Geräusche des Todes - Explosionen, Detonationen, das Knattern von Maschinengewehren und das Heulen von Projektilen. Etwas später kommen die bitteren und säuerlichen Gerüche von Pulver und chemischen Brandsätzen hinzu.
»Rudy, was sollen wir tun?«, schreit Laurie gegen das Inferno an. Sie hält sich die Ohren zu und hat sich unter den Aufleger verkrochen. »Nach Blida zurückfahren?«
»Abwarten«, sagt Rudy. Er wirkt ganz ruhig. »Wenn wir uns jetzt bewegen, kriegen wir am Ende noch was ab.«
Den Geräuschen nach zu schließen, entfernt sich das Kampfgebiet höher in die Berge hinauf. Allmählich werden die Schüsse seltener, und auch die Gegenwehr scheint nachzulassen, bis
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