Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ödland - Thriller

Ödland - Thriller

Titel: Ödland - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
und den Holland Tunnel durch die relativ sicheren Viertel von Newark und Jersey City nach Manhattan zu gelangen. Beim Flughafen J. F. K. lag die Sache anders, denn er musste Jamaica und Queens durchqueren. Ob man wohl an ein gepanzertes Fahrzeug und eine Militäreskorte für ihn gedacht hatte?
    Weder das eine noch das andere war der Fall. Fuller musste sich mit einem Taxi begnügen - einem ganz normalen Yellow Cab. Nun ja, einem fast normalen, denn der Taxifahrer hat seinen Wagen mit 20-Millimeter-Stahlplatten verstärkt und ihn mit schusssicheren Scheiben, einem Kuhfänger sowie einem auf dem Dach montierten Maschinengewehr versehen.
    »Mit dem Ding fahr ich dich sogar in die Bronx, wenn es sein muss, Mann«, grinste der Taxichauffeur, ein großer, jovialer Schwarzer.
    »Ich will aber bloß nach Manhattan«, murrte Fuller. Die Ausstattung konnte seine Sicherheitsbedenken nicht zerstreuen.
    »Kein Problem. Allerdings müssen wir über die Queensboro Bridge fahren, weil der Midtown Tunnel unter Wasser steht. Schließlich ist mein Taxi kein Unterseeboot!« Er musste über seinen eigenen Scherz herzlich lachen.
    »Ist mir völlig gleich. Hauptsache, wir kommen an.«
    »Das werden wir schon. Vielleicht haben die Thrill Warriors aus der Bronx endlich aufgehört, sich mit den Sons of Sion auf der Queensboro herumzuprügeln. Und wenn nicht, ballern wir einfach in den Haufen rein.« Der Taxifahrer wollte sich fast ausschütteln vor Lachen.
    Fuller stieg trotzdem ein.
    Der große Schwarze hat in seiner Konsole Deep-Dub eingespeichert. Babylon brennt / Das Ende ist nah / Wir sind dem Tod geweiht / Jah er kennt die Seinen dröhnt es jetzt zu binären Infrabässen aus den Lautsprechern. Mit einem Affenzahn brettert er über den Van Wyck Express und den Queens Boulevard. Die Stollenreifen verhindern, dass das Taxi auf dem gefrorenen Asphalt ausbricht, obwohl der Fahrer ständig auf der Straße herumliegenden Trümmern, Wracks und unmittelbar vor dem Wagen auftauchenden, ausgemergelten oder aggressiven Gestalten ausweichen muss. Allerdings bietet die Stahlplattenpanzerung eine breite Angriffsfläche für den Wind und die prasselnden Hagelböen. Der Fahrer muss sich mehr als einmal an sein Lenkrad klammern, um nicht in die Botanik zu düsen. Besagte Botanik ist kaum erkennbar; dichtes Schneetreiben - kaum zu glauben, dass es in Eudora 25 Grad hatte! - und zugefrorene Scheiben hindern Fuller daran, die vielen Gefahren wahrzunehmen, die das Taxi mit seinem surrenden Turbo durchquert. Die Finsternis wird lediglich vom schwachen Schein glühender Kohlebecken, einzelner Taschenlampenstrahlen und der roten Glut brennender Häuser durchbrochen. Die Menschen auf den Straßen grölen herum, schwenken Gewehre oder tragen Diebesbeute heim. Man hört Schüsse und Salven aus Automatikwaffen, wütendes Gebrüll und Schmerzensschreie. Einige Male setzt der Schwarze sein Maschinengewehr ein, ohne dass Anthony in Erfahrung bringen kann, warum und gegen wen.
    »Was ist denn da los? Ein Aufstand?«
    »Nee, Mann, die Stadt hat den Strom abgeschaltet. Da fackeln die Kids natürlich nicht lange. Wie immer eben.« Der Taxifahrer schlägt sich auf die Schenkel, als wäre das alles eine Riesengaudi.
    Zwei Mal muss das Taxi umkehren: einmal vor einer aus allem möglichen Zeug zusammengewürfelten Straßensperre und einmal vor einer hysterischen Menschenansammlung, die sichtlich auf Krawall gebürstet ist. Aber meistens fahren sie einfach mitten durch das Chaos, als wäre es eine Theaterkulisse. Fuller sieht Körper, aus denen Blut spritzt, blutbesudelte Gesichter, die gegen die Seitenfenster prallen, und hört Kugeln gegen die schusssicheren Scheiben donnern, wo sie ein Netz aus spinnenwebfeinen Rissen hinterlassen. Nur mit viel Mühe gelingt es ihm, seine Calmoxan bei sich zu behalten; er schließt aber vorsichtshalber die Augen und hält sich die Ohren zu. Immerhin übertönt der Deep-Dub, dessen wummernde Infrabässe Fuller bis tief in die Eingeweide spürt, die meisten Geräusche von außen.
    Die Queensboro Bridge ist wieder passierbar und wird an beiden Enden von Panzerfahrzeugen überwacht. Die zunächst ziemlich scharfe Kontrolle durch die Militärs weicht angesichts von Fullers VIP-Papieren schnell einer eher flüchtigen Routineüberprüfung. Das Taxi fährt im Slalom über das Schlachtfeld, zwischen Trümmern und Leichen hindurch, die bereits von Kränen und Bulldozern entsorgt werden. Endlich erreichen sie an der Ecke Park Avenue die

Weitere Kostenlose Bücher