Ödland - Thriller
stämmigen Schwarzen mit glänzendem Schädel, der in seiner hermelinverbrämten Robe wie ein Bonze aussieht, nimmt einen entrüsteten Ausdruck an. Seine Augen hinter den Varilux-Cyglasses treten aus ihren Höhlen.
»Wo ich gesteckt habe, Anthony? Was glauben Sie wohl? Natürlich an meinem Platz! Bei der Verhandlung! Und darf ich Sie vielleicht daran erinnern, dass Telefone bei Gericht verboten sind? Im Übrigen habe ich zwischendurch ebenfalls versucht, Sie zu erreichen.«
»Ich habe in diesem Scheißflugzeug festgesessen«, knurrt Fuller. Er wühlt in seiner Jackentasche, fördert ein Fläschchen Dexomyl zutage, nimmt zwei Pillen ein und spült sie mit einem Schluck Wasser aus dem Spender hinunter. »Bin ich viel zu spät?«
»Das kann man wohl sagen. Die Jury sitzt gerade in der Beratung. Sie haben alles verpasst, Anthony.«
»Scheiße! Und wie sieht es aus?«
Grabber schürzt die fleischigen Lippen.
»Ich will Ihnen nichts vormachen: Es steht nicht gerade rosig für uns. Der Richter macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für Burkina. Er hat mein Plädoyer kaum beachtet.«
»Dieses Arschloch von einem beschissenen Richter!«, explodiert Fuller und zieht damit ein paar ziemlich irritierte Blicke auf sich. »Darf man in diesem Beruf überhaupt parteiisch sein? Können wir keinen Befangenheitsantrag stellen? Oder einen Formfehler finden? Gibt es keine Möglichkeit, diesen dämlichen Prozess irgendwie neu aufzurollen?«
Grabber verzieht das Gesicht.
»Das IHG ist, wie der Name schon sagt, ein internationales Gericht. Die Vereinigten Staaten haben nicht die geringste Möglichkeit, die Nominierung der turnusmäßig wechselnden Vorsitzenden zu beeinflussen. Leider ist es so, dass in diesem Jahr ein Koreaner den Vorsitz führt, was unseren Zielen nicht gerade zuträglich ist. Wäre die Klage zwei Monate früher verhandelt worden, hätte ein Ire den Vorsitz geführt - ein Mann, den ich persönlich ganz gut kenne. Aber in diesem Fall ...«
»Und warum haben Sie dann so lange gewartet?«
»Sie wissen sehr genau, Anthony, dass ich nicht darüber entscheiden kann, wann die Verhandlung stattfindet. Sie übrigens ebenso wenig.«
Dexomyl ist zwar ein Mittel gegen Stress, doch Fuller fühlt sich alles andere als entspannt. Im Gegenteil. Er hat den Eindruck, dass das Medikament höchstens sein Hirn vernebelt und seine Wut in einer Art wattiger Verärgerung erstickt. Seine Ohren summen, sein Herzschlag stolpert, und sein Mund ist ausgetrocknet.
Er trinkt noch ein Glas Wasser, um wieder Haltung zu gewinnen, und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Es fühlt sich an, als streiche er mit einer Reibe über Pergament.
»Und was ist mit der Gegenseite? Wie lauten die Argumente der Verteidigung? Was hat der gegnerische Anwalt gesagt?«
»Auch wenn es fast unglaublich klingt - die Gegenseite hat keinen Anwalt. Der Premierminister von Burkina Faso ist anwesend und vertritt höchstpersönlich die Interessen seines Landes. Ich nehme an, er war früher selbst einmal Anwalt, denn er argumentiert geradezu genial. Außerdem wirkt er rundweg ehrlich. Sehen Sie, da drüben kommt er gerade.«
Grabber weist mit einer diskreten Kopfbewegung auf einen kleinen fetten Mann hin, dessen Haare mit viel Gel in künstlichen Wellen an den Kopf geklebt sind. Er trägt einen ebenso schlecht geschnittenen wie auffälligen Anzug - Anthrazit mit Silberstreifen - und eine grässlich unpassende rosa Krawatte. Wie ein Pfau spreizt er sich vor dem Mikrofon einer jungen Journalistin.
»Der da? Das ist der Premierminister von Burkina Faso? Er wirkt eher wie ein Clown.«
»Täuschen Sie sich nicht! Er sieht zwar aus wie ein Operetten-Don Juan, aber er scheint äußerst kompetent zu sein. Und er weiß ganz genau, was er will. Jedenfalls kam sein Plädoyer gut an.«
»Und wie hat er argumentiert?«
»Er sagt, das Wasservorkommen sei keine Neuentdeckung, weil an dieser Stelle schon immer ein See existiert hätte. Der See sei vor zehn Jahren infolge des Klimawandels ausgetrocknet, an dem vor allem die Industrie der Weißen - unter anderem natürlich auch die der Vereinigten Staaten - schuld sei. Leider verfüge Burkina nicht über die Möglichkeiten, einen eigenen Satelliten zur Sondierung von Ressourcen in die Umlaufbahn zu bringen, aber früher oder später hätten die Eingeborenen ohnehin damit angefangen, das Wasservorkommen zu erschließen. Dass es bisher noch nicht dazu gekommen sei, liege allein an der chronischen Armut seines völlig
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