Ödland - Thriller
ihr zu essen und zu trinken.«
Während Tinhinan sanft Lauries Hand nimmt und sie zum Feuer begleitet, übersetzt Ighlaf die Frage des Stammesführers für Rudy ins Französische.
»Ich spreche nicht besonders gut Französisch«, antwortet Rudy mit einer Grimasse, die ein Lächeln sein soll.
» Okay. English?«
Rudy nickt. Ighlaf zieht einen Übersetzungscomputer made in China aus der Tasche seines Gewandes, wiederholt seine Frage in das winzige Mikrofon und hält Rudy das Gerät hin. Rudy hört sich die von einer metallisch nasalen Stimme in schlechtes Englisch übersetzte Frage an.
»Wir kommen aus Europa«, spricht Rudy in den Übersetzungscomputer. »Wir arbeiten für die Hilfsorganisation Save OurSelves und sollen Bohrmaterial nach Burkina Faso liefern, und zwar mit dem Lkw, den Sie gestohlen haben...«
Der Apparat übersetzt mehr oder weniger richtig, Ighlaf wiederholt das Gesagte auf Tamaschek für seinen Chef, der wiederum auf Französisch antwortet:
»Wir haben den Lkw nicht gestohlen, sondern ihn verlassen im Reg vorgefunden. Können Sie uns beweisen, dass Sie die Eigentümer sind?«
»Kann ich. Mit den Papieren von SOS, die sich in der Kabine befinden. Und außerdem haben wir einen Diplomatenpass. Laurie!«
Laurie sitzt schlotternd vor einem Feuer aus dürren Zweigen und Kameldung, auf dem der Tee gewärmt wird, und bemüht sich, Wasser aus einer guerba aus Ziegenhaut zu trinken. Sie verzieht das Gesicht, weil sie sich dabei von oben bis unten bekleckert. Großherzig hat Tinhinan ihr einen Burnus um die Schultern gelegt und amüsiert sich über Lauries ungeschickte Art, mit der Trinkflasche umzugehen. Laurie wendet Rudy ihr nun schon deutlich entspannter wirkendes Gesicht zu.
»Ich brauche den Passierschein, den du mit dir herumträgst«, bittet er.
Sie bringt ihm das Dokument, das er dem amghar präsentiert.
»Der Passierschein ist von Fatimata Konaté unterzeichnet, der Präsidentin von Burkina Faso«, unterstreicht Rudy.
Amestan ag Kedda untersucht das Dokument, indem er es in den heller werdenden Morgenhimmel hebt. Er nickt und ruft seine Berater zu sich, die damit beschäftigt sind, das Lager abzubauen. Schon bald geht das Papier, begleitet von einer lebhaften Diskussion, von Hand zu Hand. Rudy überwacht das Dokument währenddessen mit Argusaugen, denn es wäre fatal, wenn es verloren ginge. Doch schließlich erhält er es unversehrt zurück.
Ighlaf schreibt unverständliche Zeichen in den Sand, die von den anderen nickend begutachtet werden. Mit der flachen Hand verwischt er die Zeichen wieder. Rudy wird mit wohlwollenden Blicken bedacht.
Jemand bringt Tee, Fladen und einen Teppich, auf den man ihn zu sitzen einlädt. Amestan schlägt den ettebel, die Befehlstrommel, und verkündet vom Computer mehr oder weniger gut übersetzt sein Urteil:
»Wir vom Stamm Kel Ahnet, und alle anderen Stämme von Ahaggar, angefangen bei den Kel Ghala bis nach Ifoghas, schätzen und respektieren die Präsidentin Fatimata Konaté. Sie und Präsident Songho in Mali haben ihre Grenzen für die Tuareg geöffnet. Wir haben die Freiheit, zu kommen und zu gehen, wie es uns beliebt. Daher habe ich, der amghar Amestan ag Kedda, beschlossen, dass du und deine Frau ebenfalls die Freiheit haben sollt, auf dem Gebiet der Tuareg zu kommen und zu gehen, wie es euch beliebt. Ihr werdet Fatimata Konaté dieses Bohrmaterial bringen, denn sie braucht es dringend. Wir, die Kel Ahnet und alle anderen Stämme von Ahaggar, Ilassene und Ifoghas, garantieren euch freie Fahrt. Fühlt euch bei uns wie zu Hause.«
Alle nicken und trinken Zungen schnalzend ihren Tee. Die Frauen, die dem Beschluss zugehört haben, klatschen in die Hände und stoßen schrille Freudenschreie aus. Rudy hat zwar nicht alles verstanden, erkennt aber an den zufriedenen und erfreuten Mienen, dass es gut für sie gelaufen sein muss. Der Name Fatimata Konaté scheint über geradezu magische Kräfte zu verfügen! Er kostet seinen Tee und verzieht ein wenig das Gesicht, weil er sehr bitter ist und nach Ziegenleder schmeckt; trotzdem kommt es ihm so vor, als sei dieser Tee das Köstlichste, was er je getrunken hat. Inzwischen hat jemand dem amghar ein Satelliten-Visiofon gebracht, in das er laut und schnell hineinspricht. Vermutlich erklärt er den anderen Stämmen die Sachlage.
Längst ist keine Rede mehr davon, das Lager aufzuheben. Stattdessen beschließen die Tuareg, zu Ehren ihrer Gäste ein Fest zu veranstalten. Der Mechaniker des Stammes - der Mann,
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