Ödland - Thriller
ist denn da unten los?«, brüllt Fuller.
»Ach, das wissen Sie nicht?«, wundert sich der Pilot. »Die Aufstände ... Nach dem Anschlag von New Orleans haben alle Schwarzen sich...«
»Das weiß ich«, unterbricht Anthony ihn genervt.
»Das Militär rät allen zivilen Maschinen dringend zur Umkehr. Soll ich der Aufforderung Folge leisten?«
»Keinesfalls! Sagen Sie den Leuten, dass Sie den Vorstandsvorsitzenden von Resourcing an Bord haben, dass sich mein Büro da unten in diesem Chaos befindet und ich um jeden Preis dorthin muss.«
»Ich fürchte, Ihre Meetings werden nicht stattfinden können, Sir.«
»Das geht Sie einen feuchten Kehricht an! Ich bezahle Sie, damit Sie mich fliegen - also fliegen Sie! Ist das klar?«
»Sehr wohl, Sir.«
Der Pilot hat große Probleme, den Hubschrauber wegen der aus den Straßen aufsteigenden Hitze stabil in der Luft zu halten. Außerdem raubt ihm der wirbelnde Rauch die Sicht. Dennoch gelingt es ihm, die Maschine nach allerlei Akrobatenstückchen, die er sich nie zugetraut hätte, einigermaßen sicher auf dem Dach des Resourcing Head Tower abzusetzen, und zwar fast in der Mitte des rot eingekreisten X, dessen Positionslichter irgendein geistesgegenwärtiger Mensch eingeschaltet hat - wahrscheinlich war es Amy, Fullers Sekretärin. Mit einem auf den Mund gepressten Taschentuch springt Anthony halb erstickt aus dem Hubschrauber und rennt zum Aufzug. Der Pilot, der sich geweigert hat, wieder abzuheben, folgt ihm auf dem Fuß. Sechzig Stockwerke unter ihnen spielt sich ein wahres Inferno ab. Flammen lodern, Häuser stürzen in sich zusammen, Sirenen schrillen, Menschen schreien, und immer wieder fallen Schüsse. Als die Aufzugtüren sich schließen, ist es, als schalte man einen Fernseher ab. Hier drinnen gibt es einen dicken Teppich, die Wände sind aus echtem Holz, der Spiegel ist makellos poliert, ebenso wie die goldenen Knöpfe, und aus den Lautsprechern plätschert angenehme Hintergrundmusik: So hat Fullers Welt auszusehen! Alles andere ist jetzt nichts als ein entfernter Albtraum.
In der 37. Etage verlässt Anthony den Aufzug und hastet mit großen Schritten in sein Büro. Unterwegs grüßt er mit einem knappen Kopfnicken seine Angestellten, die unruhig herumwuseln. Amy sitzt tüchtig und ruhig wie immer an ihrem Platz.
»Morgen, Amy. Irgendetwas Neues?«
Die Sekretärin blickt ihn mit ihren schönen Mandelaugen an, ehe sie sich wieder ihrem Bildschirm zuwendet, den sie kurz berührt.
»Ihr Anwalt Mr. Grabber ist hier und wartet in Ihrem Büro auf Sie, Sir. Außerdem fordert Mr. Bournemouth mehr Wasser für seine Herden, aber ich habe ihm gesagt, dass alles verfügbare Wasser hier zum Löschen gebraucht wird.«
»Das stimmt zwar nicht, ist aber trotzdem eine gute Idee, Amy. Weiter.«
»Sie haben drei Nachrichten von höchster Priorität erhalten.«
»Von wem?«
»Die erste stammt von Mr. Cromwell von der NSA, die zweite von Mr. Rothschild vom Ökonogischen Forum in Nassau, die dritte ist als persönlich gekennzeichnet und anonym.«
»Anonym? Und wurde nicht sofort als Spam vernichtet?«
»Nein, Sir. Sie hat sämtliche Filter und Firewalls unseres Systems passiert. Entweder sind dem Autor unsere Codes bekannt, oder der Autor ist dem System bekannt.«
»Okay, schicken Sie mir die drei Nachrichten rüber.«
»Da ist noch etwas, Sir. Wegen der Aufstände gibt es im Haus derzeit keine Elektrizität. Im Augenblick beziehen wir unseren Strom aus Generatoren, doch der technische Service hat vor ein paar Minuten mitgeteilt, dass wir uns damit höchstens noch drei Stunden behelfen können.«
»Ich denke, das reicht. Vielleicht hängen wir bis dahin längst wieder am Netz. Und inzwischen kochen Sie halt etwas weniger Kaffee!«
Ein kleines Lächeln zeigt, dass Amy den Scherz verstanden hat. Ein wahres Goldstück, diese Sekretärin, denkt Anthony, während er sein Büro betritt. Ob er sie vielleicht demnächst einmal zum Essen einladen sollte?
Grabber legt die luxuriöse Hochglanzbroschüre von Resourcing beiseite, in der er geblättert hat, steht auf und schüttelt Fuller herzlich die Hand. Entweder hat der Anwalt die Auseinandersetzung vor Gericht vergessen, oder er lässt sich einfach nur nicht in die Karten schauen.
»Nun, Anthony, wen wollen Sie dieses Mal vor den Kadi bringen?«
»Meine Frau.« Fuller lässt sich mit einem Seufzer der Erleichterung in seinen breiten Büffelledersessel fallen. »Ich will mich scheiden lassen.«
»War nicht ursprünglich sie es,
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